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Der Normaloflüsterer

Markus Söder ist wie eine Antenne. Er richtet sich auf das aus, was die Mehrheit für den gesunden Menschenverstand hält. Das „C“ gehört zumindest in Bayern noch dazu.
Markus Söder beim CSU-Parteitag
Foto: Peter Kneffel (dpa)

So richtig brandet der Applaus in der Nürnberger Messe nur drei Mal bei Markus Söders Grundsatzrede auf. Es ist nicht so, dass der bayerische Ministerpräsident an diesem Samstagmorgen nicht in Form ist. Schließlich ist der CSU-Parteitag in seiner Heimatstadt zu Gast. Und er muss auch nicht mit Gegenwind rechnen. Später als die Delegierten den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl küren, lautet das Ergebnis denn auch:  Keine Gegenstimme, keine Enthaltung, alle für Söder. Und genau daran liegt es vielleicht. Söder fehlt die Herausforderung. Er setzt seine üblichen Pointen, zieht die klassischen CSU-Grundsatzlinien – aber alles wirkt etwas routiniert. Ordentlich präsentiert, aber irgendwie abgespult.

Die Ampel macht es Söder leicht

Und die Ampelregierung macht es Söder ja auch leicht. Das Grundmotiv seiner Reden ist die Beschwörung des Gegensatzes: Hier die Bayernkoalition – dort die Ampel. Hier der Muster-Freistaat, der in allen Rankings oben steht, dort die Berliner Chaos-Republik. Im Grunde reicht es aus, bloß den Namen „Habeck“ zu nennen und schon setzt hier das Gefeixe ein. Umso interessanter aber eben, bei welchen Themen die Delegiertenherzen besonders hoch schlagen. Ja, wo sogar gejauchzt wird. 

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Das ist einmal der Fall, als Söder die Korruption bei den Grünen rund um Habeck, Graichen & Co brandmarkt und dazu bemerkt: Die Grünen sollten es nicht noch mal wagen, das  Wort „Filz“ in den Mund zu nehmen: „Löst eure eigenen Probleme anstatt anderen Ratschläge zu geben.“ Das war Balsam für die Funktionäre, die darunter leiden, dass ihrer CSU doch historisch das Etikett „Amigo-Partei“ anhaftet. Dann brandet Jubel auf, als Söder die Gender-Sprache geißelt und mit Blick auf verunglückte Formulierungen in einem Tagesschau-Beitrag vor einigen Wochen feststellt: „,Mama‘ und ,Mutter‘ sind die schönsten Worte der Welt.“ Viele Freude bei den Delegierten auch bei diesem Ausruf: „Nein zu Schwarz-Grün.“ Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, in denen der Ministerpräsident Bäume umarmt hat, um so seine grüne Anschlussfähigkeit zu beweisen - zur Freude der Basis. Kurz: Grünen-Bashing und klare Kante gegen linke Kulturkämpfer – das kommt an. 

Markus Söder präsentiert sich dabei wieder als der „Normaloflüsterer“. Der CSU-Chef ist wie eine Antenne. Er richtet sich auf das aus, was die gefühlte Mehrheit gerade für den gesunden Menschenverstand hält. In Bayern zumindest gehört auch das „C“ dazu. Es zeigt sich daran, dass Söder in seiner Rede einen Abschnitt auch der Frage des Lebensschutzes widmet und ein Bekenntnis zum Paragraphen 218 ablegt. Bei der Abstimmung über das neue Grundsatzprogramm wird in einem Passus sogar das Bekenntnis zum Lebensschutz im Vergleich zur ursprünglichen Formulierung noch verschärft. Ein Beweis dafür, dass auch den Delegierten dieses Thema am Herzen liegt. 

Das „C“ entspricht keinem konfessionellen Glaubensbekenntnis

Klar wird aber auch: Das „C“ entspricht keinem konfessionellen Glaubensbekenntnis. Es ist eine Chiffre für einen Anspruch: Politik vor dem Hintergrund der bayerischen Geschichte und Identität zu formulieren, die beide in der christlichen Kultur wurzeln. So ist es zumindest die Sicht der CSU. Und man muss mit Blick auf die Prognosen für die Landtagswahlen hinzufügen: Die Sicht der meisten Bayern offenbar auch. Gewiss, dieses C-Bekenntnis ist ziemlich allgemein, ziemlich unverbindlich und – aber dieser Anspruch besteht auch gar nicht – schon gar keine 1:1-Abbildung des katholischen Lehramtes. Aber eine Partei ist keine Kirche, Politiker sind keine Missionare. Wenn hier das „C“ immerhin als das Normale bekannt wird, ist das zwar nicht alles, was man sich wünschen könnte, aber im Vergleich zum Rest des politischen Angebots doch ziemlich viel.  

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