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Der Mann, der Italien verändert hat

Kaum jemanden wird es in Italien gegeben haben, den Silvio Berlusconi gleichgültig gelassen hat. Er war ein Phänomen, das sich nicht einordnen lässt.
Italiens früherer Ministerpräsident Berlusconi gestorben
Foto: Andrew Medichini (AP) | Silvio Berlusconi war kein Staatsmann, sondern bleibt Privatmann, der nie in den Olymp der wirklich weisen Mütter und Väter der Nation angekommen ist.

Man verehrte ihn – oder hat ihn gehasst. Aber kaum jemanden wird es in Italien gegeben haben, den Silvio Berlusconi gleichgültig gelassen hat. Umso bemerkenswerter, dass sich jetzt auch seine ehemaligen Feinde und Kritiker zumindest respektvoll vor dem Toten verbeugt haben – vom Staatspräsidenten und Papst bis zum letzten Provinzpolitiker –, denn der jetzt mit 86 Jahren nach einer längeren Leukämie-Erkrankung Verstorbene war einer der ganzen großen Protagonisten, der sein Land wirklich verändert hat. Aber er war kein Staatsmann, sondern bleibt Privatmann, der nie in den Olymp der wirklich weisen Mütter und Väter der Nation angekommen ist.

Bis an die Grenzen der Geschmacklosigkeit

Er brach das Informationsmonopol des staatlichen Rundfunks – und schuf einen Medienkonzern, der den Massen auf zahlreichen Kanälen Konsumfernsehen schenkte. Für jeden etwas. Bis an die Grenzen der Geschmacklosigkeit. Er stampfte über Nacht eine Partei aus dem Boden und übernahm an ihrer Spitze Regierungsverantwortung. Er ging rücksichtslos vor und wunderte sich dann, dass Gesetze auch für ihn Geltung haben. Er war ein Populist, wurde aber nicht vom Volk verraten, sondern 2011 Opfer einer nie bis ins Letzte geklärten Verschwörung der internationalen Finanzwelt, die die Risikozinsen für italienische Staatspapiere so lange in die Höhe trieb, bis er zum letzten Mal das Amt des Regierungschefs aufgeben musste. Da hatte er aber schon die politische Landkarte Italiens verändert und das neue Mitte-Rechts-Lager gegründet, das zurzeit wieder regiert.

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Es folgte eine Hetzjagd der italienischen Justiz, wegen Steuervergehen wurde Berlusconi verurteilt. Aber am Ende gelang dem „Cavaliere“ noch der Triumph, mit Sitz und Stimme wieder dem italienischen Senat anzugehören und das letzte Verfahren der langen Serie von juristischen Nachspielen zu seinen feucht-fröhlichen Partys völlig unbeschädigt zu überstehen.

Katholiken verdanken ihm viel. Nach dem Untergang der „Democrazia Cristiana“ bot ihnen die „Forza Italia“ Berlusconis eine neue Heimat. Selber religiös unmusikalisch, überließ es Berlusconi seinem Vertrauten Gianni Letta, die Beziehungen zum Vatikan und zur Hierarchie zu pflegen und „antikatholische“ Gesetze zu verhindern. Eng befreundet war der „Cavaliere“ mit Wladimir Putin. Mit dem Libyer Muammar al-Gaddafi veranstaltete er zirkusähnliche Happenings in Rom. Berlusconi liebte es, auch gegen die ungeschriebenen Regeln der Politik zu verstoßen. Wie so mancher Super-Reicher hatte er das Gefühl, über dieser Welt zu schweben. Er war ein Phänomen, das sich nicht einordnen lässt. Italien ist jetzt ärmer.

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