Herr Wadepuhl, Frankreich, einige europäische Partner und Kanada wollen ihre Militäreinsätze Barkhane und Takuba in Mali beenden. Was sind die Folgen?
Zuerst einmal gilt es, die Entscheidung Frankreichs zu respektieren. Die malische Militärregierung hat das französische Engagement und das seiner Partner bei Barkhane und Takuba immer mehr erschwert und zusehends unmöglich gemacht. Frankreich hat wie keine andere Nation seit 2013 unter hohem Blutzoll versucht, die Region zu stabilisieren, und es wird auch weiterhin dort ein wichtiger Akteur sein, der sich jetzt in erster Linie auf Niger abstützen wird. Dafür sollten wir dankbar sein.
Und doch hat der Abzug der beiden Militäreinsätze Folgen für die Sicherheit der UN-Mission Minusma, denn es waren französische Fähigkeiten, etwa Sanitätsdienst und auch Kampfhubschrauber, die auch die Minusma-Truppen mitschützten. Jetzt wird es darauf ankommen, dass Minusma selbst robuste Fähigkeiten beiseite gestellt bekommt, um diesen wichtigen Einsatz fortzusetzen.
Wie sieht es mit dem deutschen Engagement aus?
"Das unverantwortliche Irrlichtern der
Verteidigungsministerin, was unser Engagement
insgesamt angeht, muss aufhören"
Ich sehe auch Deutschland dort in einer Verantwortung. Wir könnten und sollten uns deswegen stärker einbringen. Die deutsche Verteidigungsministerin hat selbst das Stichwort robuste Fähigkeiten und Kampfhubschrauber ins Spiel gebracht. Die Bundesregierung muss jetzt schnell prüfen, welche Möglichkeiten hier bestehen, und dies dem Bundestag und der Öffentlichkeit zeitnah mitteilen. Zugleich muss das unverantwortliche Irrlichtern der Verteidigungsministerin, was unser Engagement insgesamt angeht, aufhören. Denn ihre öffentlichen Spekulationen, die Einsätze rasch zu beenden, verunsichern unsere Soldaten und Verbündeten und ermutigen die Dschihadisten und Russland.
Russische Söldner der ominösen Wagner-Gruppe sind zunehmend auch in Mali aktiv. Eine ernsthafte Bedrohung?
Bei Experten besteht Unklarheit, ob es sich bei den russischen Truppen wirklich um Söldner der Wagner-Gruppe oder um reguläre russische Soldaten handelt.
Was aber klar ist, ist, dass die Anwesenheit einer zunehmenden Zahl von russischen Bewaffneten in Mali für uns ein Warnsignal sein sollte.
Welche Ziele verfolgt Russland auf dem afrikanischen Kontinent?
Russland nutzt seit Jahren zunehmend jede Chance, um in die sicherheitspolitischen Lücken zu stoßen, die der Westen ihm lässt. Man denke an Syrien, Libyen oder auch die Zentralafrikanische Republik.
"Im russischen Kalkül und der russischen Strategie
spielen die demokratische Entwicklung der Staaten
und die Menschenrechte keine Rolle"
Es geht um Einflusssphären, Rohstoffe und auch Stützpunkte. Langfristig ist dies eine Gefährdung unserer Sicherheitsinteressen, denn Russland verfolgt damit klare und aggressive Politik gegenüber dem Westen. Die ersten Verlierer dieser Politik sind immer die Staaten und Menschen vor Ort, denn im russischen Kalkül und der russischen Strategie spielen die demokratische Entwicklung der Staaten und die Menschenrechte keine Rolle.

Die ohnehin kaum vorhandenen staatlichen Strukturen in der Sahelzone begünstigen die Ausbreitung des islamistischen Terrorismus in Westafrika. Kann der Kampf gegen Islamisten nach dem Rückzug Frankreichs und seiner Partner aus Mali in neuer Form weitergehen?
Der Kampf gegen den dschihadistischen Terror muss weitergehen. In den vergangenen Monaten hat sich die Sicherheitslage in der gesamten Sahel-Zone drastisch verschlechtert. Die Terrorgruppen gewinnen mehr und mehr an Boden, bauen dort ihre eigenen Parallelstrukturen auf. Und ihre Angriffe erfassen einen immer weiteren Raum. Wir müssen unser Engagement und unsere Strategie stetig an die Lage anpassen. Für mich ist klar, dass wir erstens in der Sahel-Zone engagiert bleiben müssen, damit die Region nicht kollabiert. Zweitens sollten wir zusammen mit unseren europäischen Partnern überdenken, ob wir dieses Engagement nicht sogar verstärken sollten. Das gilt für Minusma, aber auch mindestens für den Anteil der EU-Trainingsmission in Niger.
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