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Corona: Die Aufarbeitung kann beginnen

Warum an einer Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung der SARS-COV-2-Pandemie kein Weg vorbei führt.
Lothar Wieler
Foto: IMAGO/Christian Marquardt (www.imago-images.de) | Nach eine Klage mussten die Protokolle des RKI offengelegt werden. Da viele Teile geschwärzt sind, liest jeder dort hinein, was er möchte.

Immerhin: Der Anfang ist gemacht. Die Aufarbeitung der Corona-Politik zweier Bundesregierungen kann beginnen. Möglich gemacht hat dies das Online-Magazin „Multipolar“. Es hat die Herausgabe von 456 PDF-Dateien mit einem Umfang von mehr als 2.500 Seiten, die Tagesordnungen und Ergebnisprotokolle des Corona-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) enthalten und den Zeitraum vom 14. Januar bis zum 30. April 2021 betreffen, gerichtlich erzwungen und pünktlich zum Jahrestag des ersten Lockdowns öffentlich zugänglich gemacht. Das vor Gericht unterlegene RKI hat sich dafür revanchiert und die Dokumente vor der Herausgabe umfangreich geschwärzt. Nicht ohne ihnen eine Datei von weiteren rund 1.000 Seiten hinzuzufügen, die die geschwärzten Passagen erklären sollen.

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Sorgfältige Analyse tut Not

Nun gilt es, Ordnung in das Chaos zu bringen. Denn das ist derzeit nahezu perfekt. Während die einen bereits jetzt sicher wissen wollen, dass die Dokumente belegten, dass das RKI alles richtig gemacht habe, sehen die anderen in ihnen den Beweis erbracht, dass das RKI sich politischem Druck gebeugt und auf Weisung gearbeitet habe. Mit anderen Worten: Statt einer sorgfältigen Analyse, zu der auch der Abgleich mit den zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Daten gehören würde, entnimmt nun jeder, gewissermaßen im Vorbeiflug, aus den schwer lesbaren Dokumenten, was ihm zu Stützung seiner wie auch immer gebildeten Meinung dienlich erscheint.

Wunden heilen, Verschwörungstheorien den Boden entziehen

Abhilfe kann hier nur eine Enquete-Kommission des Bundestages schaffen, die sorgfältig und gewissenhaft sowie ohne Rücksicht auf etwaige Folgen Puzzlestein für Puzzlestein zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Anders formuliert: Die ganze Wahrheit muss auf den Tisch. Denn nur so lassen sich den weiter wuchernden Verschwörungstheorien der Boden entziehen und die tiefen Verletzungen heilen, die die massiven Eingriffe in die Grundrechte vielen Bürgern zugefügt, die ganze Familien gespaltet und das Vertrauen der Bevölkerung in Regierung und Behörden nachhaltig erschüttert haben.

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Stefan Rehder Deutscher Bundestag Verschwörungstheorien

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