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Charkivs Bewohner wenden sich von Russland ab

Viele wollen jetzt nicht mehr auf Russisch beten, sagt Wassyl Tutschapez, der Erzbischöfliche Exarch von Charkiv, im „Tagespost“-Interview. 
Wassyl Tutschapez, der Erzbischöfliche Exarch von Charkiv
Foto: Stephan Baier | Im Gespräch mit der Tagespost: der Erzbischöfliche Exarch von Charkiv, Wassyl Tutschapez, dessen Bischofsstadt nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt ist.

Angesichts des Krieges brechen viele Ukrainer die Beziehungen zu ihren Verwandten und Bekannten in Russland ab. „Die Menschen identifizieren sich mehr und mehr mit der Ukraine. Die Kontakte mit Russland werden weniger und weniger“, sagt der Erzbischöfliche Exarch von Charkiv, Wassyl Tutschapez, dessen Bischofsstadt nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt und unter ständigem Beschuss der russischen Armee steht, im Gespräch mit der „Tagespost“.

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In Charkiv sei vor der Invasion vom 24. Februar fast nur Russisch gesprochen worden. Jetzt würden Mütter und Väter, deren Söhne von der russischen Armee getötet wurden, ihn um Gebetsbücher in ukrainischer Sprache bitten, weil sie nicht länger auf Russisch beten wollen. „Der Krieg ändert etwas im Menschen“ so Erzbischof Tutschapez zur „Tagespost“. Obwohl die Mehrheit der Einwohner der „Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats“ angehört, werde jetzt nicht mehr positiv über Russland gesprochen. Viele Verwandte in Russland würden das Leid der Ukrainer leugnen sowie Folterungen, Tötungen und Grausamkeiten als „fake news“ abtun.

Hilfe, ungeachtet der Konfessionszugehörigkeit

Viele Menschen in der ostukrainischen Metropole seien jetzt auf humanitäre Hilfe angewiesen. „Das ändert auch die Haltung der Menschen gegenüber unserer Kirche, weil sie humanitäre Hilfe leistet“, sagt der Charkiver Erzbischof der mit Rom unierten Katholiken des byzantinischen Ritus. „Seit Beginn des Krieges haben wir viel humanitäre Hilfe bekommen, die wir direkt weitergeben. Alle Menschen, die kommen, bekommen Hilfe, unabhängig von ihrer Konfessionszugehörigkeit.“

Etwa 1.500 Menschen kämen täglich zur griechisch-katholischen Kirche, um Hilfe zu erbitten. „Einige, die vorher nie kamen, beten jetzt in der Kirche. Viele wollen nicht mehr auf Russisch sprechen oder beten.“

Tutschapez‘ Bischofshaus hat keine Fenster mehr; er selbst wohnt in der Kirche. Jetzt die vielen zerstörten Fenster in der Stadt zu erneuern, habe aber keinen Sinn, weil die Russen die Wohngebiete beschießen. Es fehle an Medizin, Nahrung und Heizungen. Die Menschen hätten keine Arbeit, und folglich kein Geld. Zu ihm sei eine Frau mit zwei Universitätsabschlüssen gekommen: „Sie schämte sich, um Hilfe zu bitten, sagte aber, sie würde verhungern, wenn sie jetzt nicht bettle.“ DT/sba

Lesen Sie eine ausführliche Reportage über die Lage der Christen in der Ukraine am kommenden Donnerstag in Ihrer „Tagespost“.

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