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Bischöfe zur AfD: Jetzt fängt die Arbeit erst an

Die Verdammung des völkischen Nationalismus ist richtig. Die Kirche steht hier vor einer seelsorgerischen Aufgabe. Aber sie ist nicht der Verfassungsschutz.
Bischöfe zur Afd
Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa) | Die deutschen Bischöfe sitzen im Rahmen ihrer Frühjahrsvollversammlung in Augsburg auf dem Podium. Ihre Erklärung zu völkischem Nationalismus und Christentum ist gerade jetzt wichtig.

Mancher meint vielleicht, die Erklärung der Bischöfe, dass völkischer Nationalismus und Christentum nicht vereinbar sind, sei so wie Eulen nach Athen zu tragen. Und in der Tat: Jedem, der sich auch nur oberflächlich mit dem Christentum auseinandersetzt, ist klar, dass jeder, der Jesus Christus folgen will, nicht Rassist sein kann.

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Aber – und deswegen ist das Wort der Bischöfe gerade jetzt wichtig – es gibt gefährliche Versuche aus dieser Szene, das Christentum für die eigene Ideologie zu instrumentalisieren. Das geht natürlich nur, wenn man die universelle Geltung der christlichen Botschaft leugnet und ignoriert, dass die Erlösungstat Christi allen Menschen gilt.

Christentum als Ausdruck kulturgeschichtlicher Entwicklung

Stattdessen wird das Christentum darauf reduziert, Ausdruck einer bestimmten kulturgeschichtlichen Entwicklung zu sein. Das klingt dann in etwa so: In unseren Breitengraden hat sich das Christentum als das Modell herausgebildet, in dem das Verhältnis zur Transzendenz verhandelt wird. In anderen Kulturräumen existieren andere Modelle. 

Entscheidend soll sein, über das Christentum, das nach dieser Lesart ja Ausdruck der eigenen kulturgeschichtlichen Leistung ist, ein tieferes Verhältnis zum kulturellen Kern des eigenen Volkes zu bekommen. Die Erlösung liegt also in der Rückbesinnung auf das Eigene. Das Heil liegt in der Identität, die es rein zu halten gelte beziehungsweise zu reinigen ist. 

Hier ist übrigens festzustellen: Dieses rechte Kulturchristentum hat in gewisser Weise eine Entsprechung auf der linken Seite. Auf der einen wird eben die universelle Geltung ausgeklammert, das Christentum auf eine Art Stammesreligion reduziert, die dabei helfen soll, die für die eigene Gemeinschaft als förderlich erkannten Werte zu verkünden und zu pflegen, vor allem aber irgendwie in der Transzendenz zu verankern.

Der christliche Glaube wird wie ein Steinbruch genutzt

Links wird das Christentum auf ein unverbindliches „Gutmenschentum“ zurechtgestutzt, bei dem der Kirche gerade mal noch die Aufgabe einer NGO zugebilligt wird. In beiden Fällen gilt: Der christliche Glaube wird wie ein Steinbruch genutzt. Man bricht die Brocken heraus, die der eigenen Ideologie dienlich sind. Und dann zeigt man auf die Bruchstücke und behauptet: „Seht her, das sind unsere Werte.“

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Diese Taktik, von rechts wie von links, ist deswegen wirkungsvoll, weil Menschen sich in ihrer Sicht auf das gesamte gesellschaftliche Geschehen notwendigerweise auf Einzelaspekte konzentrieren. Das Einzelne ist aber nicht das Ganze. Und das Christentum ist kein Gemischtwarenladen, aus dem man sich das Produkt herausnimmt, was gerade besonders gefällt, den Rest der Auslage aber ignoriert.

Wen das Schicksal der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer berührt, der wird sich bei einer Partei zuhause fühlen, die diesen Aspekt besonders in den Blick nehmen. Wer aber deswegen als Christ beispielsweise die Grünen unterstützt, darf nicht ignorieren, dass zu der Agenda dieser Partei auch immer noch ein gutes Stück Neomarxismus gehört, der sich gegen die christliche Anthropologie und die Familie richtet.

Die Zeit der brüderlichen Zurechtweisung ist gekommen

Der andere Fall: Wer sich wegen ihres Bekenntnisses zum Lebensschutz der AfD zuwendet, muss zur Kenntnis nehmen, dass weite Teile dieser Partei eben mittlerweile durch Gedanken des völkischen Nationalismus geleitet werden.

Schließlich: Das alles bedeutet nicht, dass Einzelne, und auch hier gilt es für rechts wie für links, die sich in ihrem politischen Handeln auf das Christentum beziehen, nicht auch ehrlich davon bewegt werden, ihrem Glauben gerecht zu werden. Die Konsequenz: Die eigentliche Arbeit – und das deutet auch die Erklärung an – beginnt vor Ort.

Es kann nicht sein, dass Menschen, nur weil sie der AfD nahestehen, jetzt aus den Kirchengemeinden ausgeschlossen werden. Es ist aber die Zeit der brüderlichen Zurechtweisung gekommen. Und diese „correctio fraterna“ richtet sich nicht nur nach rechts, sondern muss auch christlich geprägte Aktivisten von links miteinschließen. Über allem aber muss stehen: Die Kirche hat sich um die Seelen ihrer Gläubigen zu sorgen, die Kirche ist kein Verfassungsschutz. 

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