Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung DEBATTE UM § 218 StGB

Auch dem eigenen Leben verpflichtet

Der Rat der EKD hält Gesetzesentwurf „zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ für „im Grundsatz zustimmungsfähig“.
Gegendemo gegen Marsch für das Leben, Berlin 2024
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Auf welcher Seite steht die EKD? Gegendemo gegen den Marsch für das Leben, Berlin 2024.

Nach Ansicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) liegt vorgeburtlichen Kindstötungen ein „unauflösbarer Konflikt“ zugrunde. Das behauptet der Rat der EKD in einer heute veröffentlichten Stellungnahme „zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs der Abgeordneten Ulle Schauws (Grüne), Carmen Wegge (SPD), u.a. […], der am heutigen Mittwoch auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses des Bundestags steht“. „Dem Anspruch des Ungeborenen, geboren zu werden“ stehe der „Anspruch an das eigene Leben gegenüber, dem sich die Schwangere ebenso verpflichtet“ sehe. „Beide Ansprüche“ würden „für sie unbedingt gelten“, beide könnten zudem „aus einer christlichen Perspektive als Gottes Gebot verstanden werden“, heißt es in der Stellungnahme.

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„Die einzigartige Situation eines Schwangerschaftskonflikts“ erfordere „Respekt vor der Freiheit und der Verantwortungsfähigkeit der Schwangeren“. Letztlich müsse die Schwangere „selbst entscheiden und selbst entscheiden können“. Diese Entscheidung müsse sie „vor ihrem Gewissen treffen“. Niemand könne, niemand dürfe sie ihr abnehmen. „Freiheit, Verantwortung und auch die Möglichkeit, dabei schuldig zu werden“, bildeten „für die evangelische Ethik eine Einheit“ und seien „Grundbestandteile des evangelischen Menschenbildes“. Und weiter: „Eine verantwortete Entscheidung ist dabei nach evangelischer Überzeugung möglich, weil der Unausweichlichkeit der Schuldübernahme die Gnade Gottes gegenübersteht.“

Gottes liebende Zuwendung

Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Aus menschlicher Perspektive mögen konkurrierende Ansprüche als unauflösbares Dilemma erscheinen. Als Christ:innen sind wir aber sicher, dass im Horizont der eindeutigen Gewissheit von Gottes liebender Zuwendung eine verantwortliche Entscheidung möglich wird.“ Es gehöre zur „Freiheit des Menschen, mit unterschiedlichen, konkurrierenden Ansprüchen konfrontiert zu werden“. „Gott“ entlasse „den Menschen in die Freiheit, sich zwischen solchen Ansprüchen vor seinem Gewissen verantworten zu dürfen“ und „sich verantworten zu müssen“. „Jede gesetzliche Regelung“ müsse sicherstellen, „dass beide Ansprüche gleichberechtigt berücksichtigt werden“.

In seiner Stellungnahme, die auf einem, an gleicher Stelle ebenfalls heute veröffentlichten Diskussionspapier fuße, begrüßt der Rat zudem, „dass die vorgeschlagene Neuregelung einen moralisierend-belehrenden Ton vermeidet und jeder Stigmatisierung von Frauen entgegenzutreten versucht“. „Die rechtliche Struktur“ spiegele diese Haltung „wider“ und sei „aus evangelischer Perspektive im Grundsatz zustimmungsfähig“. Mittragen könne die EKD auch „die Grundentscheidung“, den „Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frau“ nicht „wie bisher im Strafgesetzbuch, sondern in weiten Teilen im Schwangerschaftskonfliktgesetz zu regeln“. „Den Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne den Willen der Schwangeren weiterhin im Strafgesetzbuch zu regeln“, hält sie dagegen „für unabdingbar“.

„Nicht adäquat“: Der völlige Wegfall der Bedenkzeit

„Zustimmungsfähig“ sei ferner die „Revisionen im Blick auf die Formulierung von Beratungszielen“. Gleiches gelte für „die Anregung, durch den Einsatz digitaler Formate und eine optimierte Finanzierung die Zugänglichkeit der Beratung zu verbessern“. Allein den „völligen Verzicht auf eine Wartefrist zwischen Beratung und Eingriff“ erachtet der Rat der EKD in seiner Stellungnahme „für nicht adäquat“ und plädiert stattdessen „für die bei sonstigen schwerwiegenderen medizinischen Eingriffen übliche Wartezeit von in der Regel 24 Stunden“. Dass der Entwurf, der vorgeburtliche Kindstötungen auf Verlangen der Schwangeren bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche nach Beratung nicht mehr bloß wie bisher straffrei, sondern auch „rechtmäßig“ stellen will, „die Schwangere bis hin zur Geburt und losgelöst von der Beratung aus jeder rechtlichen Verpflichtung zu entlassen“ vorsehe, nennt der Rat immerhin „bedenklich“.

Das 50-seitige Diskussionspapier trägt den Titel „Schwangerschaftsabbruch – Ein theologisch-ethischer Diskussionsbeitrag der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Debatte um § 218 StGB“ und wurde den Angaben zufolge von einer Arbeitsgruppe des Kammernetzwerks der EKD erarbeitet. Nach Ansicht der EKD trage die Schrift „zentrale Aspekte und Überlegungen eines evangelisch-ethischen Beitrags zur gesellschaftlichen Diskussion“ bei. Zugleich verstehe sie sich „als Impuls für eine konstruktive Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen“. DT/reh

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