Das war es dann also. Wochenlang hatte alle Welt spekuliert und sich in leuchtenden, manchmal auch in dunklen Farben ausgemalt, wie sie denn nun werden würde, diese Geburtstagsfeier der CDU für ihre alte Kanzlerin. Am Ende war es so wie immer bei Angela Merkel. Ziemlich unaufgeregt, ziemlich unprätentiös und gleichzeitig doch würdig, ruhig – und nicht ganz unwichtig in diesen Zeiten – höflich. Man könnte auch sagen: bürgerlich.
Da mögen nun wieder alle Merkel-Kritiker laut aufschreien, sehen sie doch in der Bundeskanzlerin so etwas wie die Totengräberin eben klassischer bürgerlicher Politik. Und da ist auch viel dran. Aber Angela Merkel wirkte nicht zuletzt als bürgerliche Ikone. Und zwar als Ikone für das Bürgertum im Deutschland der 2010er Jahre. Der Satz, dass die Kanzlerin in vielem eine grüne Politik betrieben habe, stimmt. Aber genau das wirkte auf dieses Bürgertum, in dem die CDU – mag es richtig, mag es falsch sein -als Volkspartei der Mitte ihre Wählerschaft sieht. Kurz: Hätte sich Angela Merkel als eine weibliche Reinkarnation von Alfred Dregger dem deutschen Wahlvolk präsentiert, sie wäre höchstwahrscheinlich nicht so lange Bundeskanzlerin geblieben.
Der Habitus spielt eine Rolle
Hinzu kommt: Neben Inhalten spielt eben vor allem der Habitus eine Rolle. Und auch der passte zu den Sehnsüchten dieses Bürgertums. Merkel war auch weniger Mutti, sondern die kinderlose, verlässliche, hochgradig seriöse und auf spezielle Art eigenwillige Tante der Republik. Sie blieb stets distanziert, trotzdem fühlten sich diese Deutschen ihr aber verbunden (Wahlplakat: „Sie kennen mich“). Und in bürgerlichen Kreisen besonders wichtig: Eine Kanzlerin muss vorzeigbar sein. Und das war Angela Merkel, auch auf internationalem Parkett (dort wurde in den Obama-Jahren schließlich auch im linksliberalen Takt getanzt).
Und jetzt? Dieses Bürgertum von damals gibt es heute natürlich immer noch. Aber es denkt vielfach anders: über die Lage, aber nicht über sich selbst. Heißt: Die Migrationsfrage will es heute anders gelöst sehen, es will aber nicht darüber reflektieren, ob es 2015 in eine vielleicht zu enthusiastische Willkommenskultur-Euphorie verfallen ist. Insofern hat es die CDU ganz geschickt gemacht: Den Bruch vollziehen, aber – auch eine bürgerliche Disziplin - man spricht nicht drüber. Stattdessen veranstaltet die Partei eine Feier. Feigheit vor dem Freund? So sagen die einen, andere mögen genau darin bürgerlichen Stil erkennen.
Eines scheint sicher: Dieser Abend war ein letzter Nachklang auf die habituelle Grundstimmung der Merkel-Ära. Jetzt sind wir schon mitten in anderen Zeiten, in denen Argumente hämmern müssen, es wieder politische Feinde gibt, der Urlaub von der Geschichte ist endgültig zu Ende. Die Prognose: In zehn, 15 Jahren wird es eine Merkel-Nostalgie geben. Getragen vom gleichen launischen Bürgertum, das dann auch nicht mehr wird wissen wollen, was es heute gedacht hat.