Alois Glück war ein anderer CSU-Politiker. Jedenfalls entsprach er in seinem Habitus nicht dem Klischeebild, das man sich jenseits des Weißwurstäquators von einem erfolgreichen Christ-Sozialen macht. Dabei steht gerade sein Typus für den Erfolg der Volkspartei. Die CSU ist nämlich vielschichtiger als man denkt. Anders als ihre Fans im Rest der Republik denken, die in ihr vor allem eine politische Potenz rechts der Mitte erkennen wollen, seit den 70ern auch immer wieder mit der Hoffnung verbunden, sie könne doch auch bundesweit antreten, ist sie eben in erster Linie die bayerische Volkspartei. Deren Spektrum muss viele Flügel abdecken, und die müssen durch Persönlichkeiten repräsentiert werden.
Da gibt es den alles überragenden Typus Strauß, der es wie kein anderer schaffte, bayerische Identität auszudrücken, am Katheder genauso glänzte wie im Bierzelt, Denker und politischer Praktiker zugleich. Dann der Typus Stoiber, auch er ein scharfkantiger Rhetor, gleichzeitig ein Mann der Administration und der Effektivität. Und dann gibt es eben auch den Typus Glück, nachdenklich, klar, aber behutsam argumentierend, immer wieder vom „C“ in seinen Gedanken ausgehend, und gerade vielleicht sogar deswegen eher dem liberalen Flügel der Partei zugehörig.
Wo sind die Nachfolger von Alois Glück?
Markus Söder müht sich noch heute, FJS nachzueifern und Stoiber ist sowieso sein Vorbild. Aber wo sind die Nachfolger von Alois Glück? Am meisten scheint noch Manfred Weber hier Anleihen zu nehmen. Aber der sitzt im Europaparlament, ist also weit weg vom bayerischen Geschehen. Und so ist die CSU schon seit einigen Jahren zur One-Man-Show geworden. So extrem wie bei Söder war dies auch nicht zu Zeiten von Strauß. Denn dieser wusste, trotz der kurzen Kreuth-Verirrung, wie sehr die inhaltliche und personelle Breite der CSU für die Machtsicherung wichtig ist.
Söder weiß es vielleicht auch. Aber es fehlt am geeigneten Personal, diese Aufgabe zu füllen, und er macht wohl auch gerne aus der Not eine Tugend. Der Ministerpräsident hat kein Problem damit, als die Verkörperung seiner Partei zu gelten. Selbst dann, wenn er, wie in seiner Öko-Phase, Glück-Themen aufnahm, machte er es trotzdem auf Söder-Art. Lieber Bäume umarmen statt Grundsatzdiskussionen über nachhaltige Landwirtschaft führen.
Reformer, der versöhnen statt spalten wollte
Alois Glück ist Vertreter einer Politikergeneration, die immer mehr von der öffentlichen Bühne verschwindet. Deren Sozialisation war typisch für ihre Zeit. Glück stammte aus dem katholischen Verbandsleben, fand aus der Katholischen Landjugend den Weg in die Politik. Dass er später Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wurde, war in gewisser Weise eine logische Konsequenz in diesem Lebensweg.
Glück zählte sicherlich zum Reformflügel. Aber auch hier ein Unterschied zur nachfolgenden Generation: Geprägt durch ein bestimmtes Bild vom Zweiten Vatikanum hoffte er auf ein neues „Aggiornamento“, anders als seine Nachfolger war ihm aber das Zusammenspiel mit der Weltkirche wichtig, setzte er auf Verbindlichkeit, sein Motto war eher „Versöhnen statt spalten“. An diesem Montag ist nun Alois Glück, der über viele Jahrzehnte das politische und kirchliche Leben geprägt hat, im Alter von 84 Jahren gestorben.
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