Die konkreten Gesetzesentwürfe, mit denen in Österreich – vom Verfassungsgerichtshof erzwungen – die Suizidbeihilfe legalisiert werden soll, stoßen weit über die Kirchen hinaus auf Kritik. Weil das Gesetz, das noch im November verabschiedet werden soll, die Abgabe des tödlichen Präparats durch Apotheken an den Suizidwilligen oder seinen Helfer vorsieht, fürchten viele Experten, dass es zu Missbrauch kommen kann. „Bedenken einer Missbrauchsgefahr, weil sich der Staat damit faktisch jeglicher Kontrolle einer legalen Verwendung begibt“, sieht etwa die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof. Sie anerkennt zugleich, dass es ausdrücklich im privaten Rahmen zur Suizidassistenz kommen soll, womit jede Institutionalisierung vermieden wird.
Gewissensfreiheit für Ärzte und Apotheker
Die Gefahr einer „missbräuchlichen Verwendung von letalen Präparaten“ sieht auch die Österreichische Apothekerkammer. Anders als die Ärztekammer, die sich gegen eine Inanspruchnahme der Ärzte für die Suizidbeihilfe stemmte, plädiert der Verband der Apotheker für eine „professionelle Begleitung und Aufsicht durch medizinisch ausgebildete Personen“, insbesondere damit „eine medizinische Unterstützung bei etwaigen Komplikationen“ sichergestellt ist. Eine „professionelle Begleitung der sterbewilligen Person“ sei für die „korrekte und sichere Anwendung des letalen Präparats unerlässlich“ und „unverzichtbar, um dieser Person ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen“.
Gleichzeitig insistiert die Apothekerkammer darauf, die Gewissensfreiheit nicht nur für Ärzte, sondern auch für Apotheker gesetzlich festzuschreiben: Es sei zu verankern, „dass die einzelne öffentliche Apotheke und die in diesen Einrichtungen tätigen Apothekerinnen und Apotheker nicht zur Abgabe eines letalen Präparats an sterbewillige Personen oder deren Hilfspersonen verpflichtet werden können“. In diesem „ethisch heiklen Bereich des assistierten Suizids“ sei es unerlässlich, dass Apotheker gemäß den eigenen moralischen Überzeugungen handeln können, heißt es in der Stellungnahme an das Parlament.
Bedenken, da psychologische Expertise nicht verpflichtend
Die Gewissensfreiheit betont auch die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP). Es sei zu begrüßen, dass Ärzte „vor einer Verpflichtung zur Hilfeleistung oder zur Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung geschützt werden“. Die ÖGPP sieht ebenfalls die Gefahr des Missbrauchs, wenn auch auf einer anderen Ebene als die Apotheker, nämlich bei den Anbietern von Suizidassistenz beziehungsweise Hilfeleistung zur Selbsttötung: „Um einem Missbrauch zuvorbeugen schlagen wir vor, dass Personen, die in keinem persönlichen Nahverhältnis zu den Sterbewilligen stehen und die ein besonderes Eigeninteresse – sei es finanziell oder ideologisch begründet – verfolgen, explizit aus dem Kreis der hilfeleistenden Personen ausgeschlossen sein sollen. Dies betrifft vor allem auch die Aktivitäten sogenannter ‚Sterbehilfevereine‘.“
Große Bedenken hat die ÖGPP dagegen, dass eine psychologische Expertise bisher nicht verpflichtend ist: Psychiater seien mit der „erheblichen Fluktuation von Sterbewünschen“ vertraut, wüssten um die Einschränkungen des freien und selbstbestimmten Willens von psychisch Kranken, doch würden Depressionen auch von medizinischem Fachpersonal oft übersehen oder fehlgedeutet, heißt es in der Stellungnahme. DT/sba
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