Auch am zweiten Tagen nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl haben beide Kandidaten, Amtsinhaber Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden, noch immer eine theoretische Chance, eine Mehrheit von 270 Wahlmännerstimmen zu erreichen. Der Demokrat Joe Biden hat derzeit jedoch alle Trümpfe in seiner Hand, auch wenn das Rennen weiterhin knapp verläuft.
Haltlose Vorwürfe gegenüber demokratischem Wahlprozess
Wenn schon kein Sieg, so hätte es für Donald Trump zumindest zu einer ehrenvollen Niederlage werden können. Die Ankündigungen, in Bundesstaaten wie Wisconsin, Michigan oder Pennsylvania Nachzählungen oder Klagen wegen angeblichen Wahlbetrugs einzureichen, zeugen jedoch nicht von einem ehrenvollen, sondern von einem verzweifelten, ja schlechten, potenziellen Verlierer. Hier erhebt ein Präsident quasi haltlose Vorwürfe gegenüber einem demokratischen Wahlprozess, der offensichtlich nicht zu seinen Gunsten verläuft.
Anders verhielt sich dagegen bislang Joe Biden. In einer kurzen Ansprache vor Pressevertretern am Mittwochnachmittag (Ostküstenzeit), gab er sich in Ton und Auftreten bereits sehr präsidial. Auch wenn er ausdrücklich betonte, sich noch nicht zum Sieger zu erklären, kamen Bidens Worte dem doch schon sehr nahe. Sollte er gewinnen, werde es keine Unterteilung in „blaue und rote“, also demokratische und republikanische Staaten geben, so Biden. Nur die „vereinigten“ Staaten von Amerika. Und er versprach: „Für diejenigen, die mich nicht gewählt haben, werde ich genauso hart arbeiten wie für diejenigen, die mich gewählt haben.“
Schwer vorstellbar, wie Biden auf Konservative zugehen will
Zuhören, heilen, als Nation zusammenkommen: Das klingt gut und ist leicht gesagt. Biden müsste dann aber auch tatsächlich liefern. Bisher deutet nichts darauf hin, dass der 77-Jährige eine Politik anstrebt, die die wesentlichen Interessen Konservativer berücksichtigen würde. Wie sollte diese aussehen, etwa im Bereich des Lebensschutzes? Wenn Biden ansatzweise hält, was er im Wahlkampf versprochen hat, ist schwer vorstellbar, wie er auf einen versöhnlichen Pfad mit Konservativen eintreten, geschweige denn der Präsident aller Amerikaner sein will. Sollte er am Ende als Sieger feststehen, hat Joe Biden – genauso wie Donald Trump 2016 – aber zumindest die Chance verdient, eines Besseren zu belehren.
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