Der Brigadegeneral a.D. der Bundeswehr, Klaus Wittmann, zieht eine ernüchternde Bilanz zum Afghanistan-Einsatz der westlichen Streitkräfte. Gescheitert seien nicht etwa die NATO oder die Bundeswehr, sondern die Internationale Gemeinschaft. Diese habe dem Militär einen viel zu großen Teil der Aufgaben überlassen, so Wittmann im Gespräch mit der Tagespost.
Richtig, das Taliban-Regime zu stürzen
Rückblickend sei es für ihn zwar richtig gewesen, das Taliban-Regime zu stürzen und das Land nicht seinem Schicksal zu überlassen. Die Fülle der sich daran anschließenden Fehler, Versäumnisse und Probleme sei jedoch immens. Wittmann nennt als Beispiele unter anderem ein versäumtes Versöhnungskonzept, einen ausgebliebenen Einbezug von Nachbarn, ein überhöhtes Ziel eines demokratischen Zentralstaats oder auch ein Verkennen der Stammeskultur und des historischen Entwicklungsstands Afghanistans.
Zugleich räumt der Brigadegeneral, der Mitglied der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war und Zeitgeschichte an der Universität Potsdam lehrt, ein, dass die afghanische Bevölkerung in den letzten 20 Jahren auch bedeutende Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen erfahren hätte, „in besonderem Maße in den Städten“. Dazu zählt Wittmann Errungenschaften wie Freiheit, Frauenrechte, Medienpluralismus, substantielle Verbesserungen im Bildungssystem oder auch Fortschritte im Gesundheitswesen.
Was die Voraussetzungen für weitere Einsätze sind
Es stelle sich allerdings die Frage, wieviel von dem Erreichten unumkehrbar sei, und ob die Taliban pragmatischer geworden seien. Selbst die radikalen Islamisten hätten insbesondere auf dem Land, wo sie nie verschwunden gewesen seien, das „segensreiche Wirken von Hilfsorganisationen beispielsweise auf medizinischem Gebiet erlebt“. Zudem wüssten die Taliban nach Ansicht Wittmanns, dass sie auf Hilfe von außen angewiesen blieben.
Aus dem gescheiterten Militäreinsatz die Schlussfolgerung zu ziehen, sich in Zukunft völlig aus der Region herauszuhalten, hält Wittmann für falsch. Voraussetzungen für weitere Einsätze seien jedoch unter anderem im Zusammenwirken mit den Einheimischen klar definierte Ziele, realistische Ambitionen und Zeitvorstellungen, eindeutige Kriterien für Erfolg und Misserfolg sowie Transparenz gegenüber der Gesellschaft des Entsendelandes. DT/mlu
Haben Friedensmissionen nach Afghanistan noch Sinn? Lesen Sie das ausführliche Interview mit dem Brigadegeneral a.D. Klaus Wittmann in der kommenden Ausgabe der Tagespost.