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50 Jahre „Der Exorzist“: Als Hollywood mit dem Teufel rang

Seitdem die akademische Theologie nichts mehr vom personalen Bösen wissen will, setzen Filmemacher das Wirken der Dämonen in Szene.
Exorzist
Foto: Alexander Brüggemann | Ungeachtet aller klerikalen Süffisanz wird "Der Exorzist" bis heute als Meilenstein des Horrorfilms gefeiert, der dämonische Besessenheit auf beeindruckende Weise darstellt.

Vor 50 Jahren löste der Hollywoodfilm "Der Exorzist" von William Friedkin ein mediales Erdbeben aus. Reihenweise erlitten Zuschauer Herzattacken und Panikzustände. Andere übergaben sich während der Vorstellung oder verließen fluchtartig den Kinosaal. Der "New York Times" zufolge erlitt eine Kinobesucherin sogar eine Fehlgeburt. In Los Angeles bestand die Stadtverwaltung auf freie Zufahrten für Krankenwagen vor den Kinos. Auf das Grauen folgte die Anerkennung der Cineasten. Im April 1974 erhielt "Der Exorzist", eine Verfilmung des gleichnamigen Romans des Jesuitenschülers William Peter Blatty, zwei Oscars. Dass ein Horrorfilm als künstlerisch wertvoll betrachtet wurde, war etwas Neues. Mehrere katholische Geistliche hatten vor und hinter der Kamera bei der Friedkin-Produktion mitgewirkt. Wenige Monate später, im September 1974, lief der Film in den deutschen Kinos an.

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Während die auf gesellschaftliche Anschlussfähigkeit bedachte akademische Theologie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil den Teufel aus Lehre und Verkündigung verbannte, sprang das Kino mit apologetischer Vehemenz für die verstummten Lehrstuhlinhaber ein und löste landesweite Debatten über die Existenz des Bösen und den Einfluss dämonischer Mächte aus.

Zwischen dämonischer Besessenheit und Gefahr der Hysterie

Der außerordentliche kommerzielle Erfolg des Films paarte sich mit einer Flut von Anfragen an die Lehre und Verkündigung der christlichen Kirchen. Reverend Christopher Neil Smith, Exorzist der anglikanischen Kirche von England, berichtete dem "Spiegel" kurz nach der Premiere des "Exorzisten", seit der Film in London gezeigt werde, "kommen wöchentlich 50 Leute zu mir, die besessen sind".

Inwieweit es sich um Phänomene echter dämonischer Besessenheit handelte oder um psychopathologische Reaktionen, ließ sich in diesem Fall nicht klären. Der geistliche Berater des Regisseurs, der Jesuit John Nicola, der in Rom über das Thema Exorzismus promoviert hatte, äußerte sich im Rückblick reserviert gegenüber dem Welterfolg des Films. Aus seiner Sicht bestand die Gefahr der Hysterie. Die Wirkung des Films verglich der Ordensmann mit "mittelalterlichen Veitstänzen".

In Kirchenkreisen mauserte sich das Kinoerlebnis bald zum wohlig-grausligen Adrenalinkick. Die Plattform "Jesuit Post" lieferte zum 40. Jahrestag unter der Überschrift "Holy Horror" eine süffisante Beschreibung einer Filmvorführung des "Exorzisten". Als Halloweenvergnügen einer Jesuitenkommunität schien der Film exzellent geeignet. Erwachsene Männer verlangten Weihwasser, konstatierte der Autor verblüfft und bemerkte, dass der Geistliche im Film drehbuchgemäß auf traditionelle Gebete der Kirche zurückgreift. Gänzlich ironiefrei berichtet hingegen die Schauspielerin Ellen Burstyn, die im Film die Mutter des besessenen Mädchens spielt, in der 1998 entstandenen Fernsehdokumentation "Gottesfurcht", in der die Entstehungsgeschichte des "Exorzisten" dargestellt wird, wie tief die Erschütterung am Set gewesen sei, als in kurzer Zeit mehrere Mitarbeiter der Crew starben.

Bis heute ein Meilenstein des Horrorfilms

Ungeachtet aller klerikalen Süffisanz wird "Der Exorzist" bis heute als Meilenstein des Horrorfilms gefeiert, der dämonische Besessenheit auf beeindruckende Weise darstellt, von Schweben und Sprechen in unbekannten Sprachen bis hin zur brutalen Gewalt. Der Erfolg des Films wurde durch den historischen Kontext verstärkt, geprägt von Schockereignissen wie dem Vietnamkrieg und dem Aufkommen von Serienmördern in den Vereinigten Staaten wie der "Mason-Family" sowie der "Kirche Satans". Das berühmte Predigtwort Papst Pauls VI. von 1972, dass "der Rauch des Satans in den Tempel Gottes eingedrungen" sei, trug ebenfalls dazu bei.

Der Teufel und das Wirken der Dämonen sollten Regisseure in den USA und anderswo auch in den folgenden Jahrzehnten weiter beschäftigen.
Der sogenannte "Fall Klingenberg", der Ende der siebziger Jahre für Schlagzeilen sorgte, wurde 2005 in zwei Spielfilmen fiktionalisiert. Aufhänger für das Drehbuch war der im Auftrag des Würzburger Bischofs Josef Stangl durchgeführte Exorzismus an der 1976 verstorbenen fränkischen Studentin Anneliese Michel. Aufgrund unterschiedlicher Einstellungen kamen die Filmemacher zu abweichenden Ergebnissen. In "Requiem" bedient sich der deutsche Regisseur Hans Christian Schmid einer linearen Erzählweise, um den Fall darzustellen. Vertritt Schmid die Meinung, "dass ein Exorzismus kein geeignetes Mittel ist, um jemandem, der psychisch krank ist, zu helfen", so überlässt es der amerikanische Spielfilm "Der Exorzismus der Emily Rose" dem Zuschauer, eigene Schlüsse zu ziehen. Im Gegensatz zum Priester in "Requiem" wird der Geistliche in "Der Exorzismus der Emily Rose" als normaler, auf dem Boden der Realität stehender Mensch gezeichnet.

Im Jahr 2011 spielte kein Geringerer als Anthony Hopkins einen eindeutig an den bekanntesten Exorzisten Pater Gabriele Amorth (1925-2016) angelehnten, erfahrenen Exorzisten im Spielfilm "The Rite - Das Ritual". Dieser Film basierte auf dem Reportagebuch "The making of a modern exorcist" ("Die Schule der Exorzisten"), in das die Erfahrungen des 50-jährigen kalifornischen Priesters Gary Thomas während eines neunmonatigen Exorzisten-Kurses an der römischen "Regina Apostolorum"-Universität Eingang fanden. Trotz einiger Horrorfilm-Elemente nimmt der Spielfilm sein Sujet im Sinne der katholischen Kirche ernst.

Nördlich der Alpen keine Antwort

Auf den Schriften von Pater Amorth basiert teilweise das Drehbuch des Spielfilmes, der sich zuletzt mit dem Thema "Exorzismus" auseinandergesetzt hat: "The Pope's Exorcist" ("Der Exorzist des Papstes", 2023). Zwar bietet der Film - offenkundig dort, wo Amorths Schriften Pate standen - interessante Einblicke, beispielsweise wenn der Exorzist auf die Bedeutung des Gebets, der Anrufung der Gottesmutter und der Beichte hinweist. Insgesamt aber fallen die visuellen Effekte, die Kameraführung, die Filmmusik einschließlich Tonschnitt in die Kategorie "Horrorfilm". Die Internationale Vereinigung der Exorzisten merkte dazu kritisch an: "Die Art und Weise, Don Amorths Erfahrung als Exorzist zu schildern, widerspricht nicht nur der historischen Realität, sondern verzerrt und verfälscht auch das, was während des Exorzismus von wirklich besessenen Menschen wirklich gelebt und erlebt wird."

Was Hilfesuchenden nördlich der Alpen bevorstehen kann, vermittelt eindrucksvoll die Homepage der Deutschen Bischofskonferenz. Wer auf www.dbk.de nach dem Schlagwort "Exorzist" sucht, erhält die Antwort "Keine Ergebnisse gefunden".

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