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Spaltet das Kreuz?

Die öffentlich zur Schau gestellte Ablehnung einiger kirchlicher Amtsträger oder Organisationen von Kreuzen in Behörden ist nicht nachvollziehbar. Christen sollten sich freuen über Kreuze in der Öffentlichkeit. Ein Kommentar von Elmar Naß
Sitzung Kabinett
Foto: Peter Kneffel (dpa) | 24.04.2018, Bayern, München: Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident (CSU), hängt ein Kreuz im Eingangsbereich der bayerischen Staatskanzlei auf. Foto: Peter Kneffel/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Da haben wir wieder mal das Kreuz mit dem Kreuz. Landauf, landab wird jetzt – nach der jüngsten bayerischen Verordnung zur Kreuzpflicht in öffentlichen Einrichtungen – auch unter Christen emotional diskutiert, welche Öffentlichkeit denn dieses Symbol bei uns verdient. Und die Wette gewinnt wohl der, der darauf setzt, dass schon bald die Gerichte darüber befinden, wie der Staat es bitte mit seiner religiösen Neutralität halten solle. Ob also diese Pflicht lange rechtswirksam bleibt? Das ist die eine Frage. Wie sollen sich Christen dazu stellen? Das ist die andere Frage. Sollen die Kreuze hin oder weg?

Mit dem Vorsitzenden der EKD und bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm freue ich mich als Christ über jedes Kreuz, das in der Öffentlichkeit zu sehen ist. Denn es steht für eines der wesentlichen Wertefundamente, die unsere Demokratie nicht aus sich selbst hervorbringt. Das Christentum ist undenkbar ohne das Judentum. Und auch der humanistische Islam des Mittelalters (Philosophen wie Averroes u.a. in Al Andalus) hat das christliche Wertedenken Europas positiv geprägt. Die Gründerväter unserer Verfassung hatten vor allem Christentum und Aufklärung als sichere Anker unantastbarer Menschenwürde im Kopf. Deren Inhalt ist ohne eine solch gute Begründung als bloße Behauptung schnell der Versuchung wechselnder Populismen und Relativierungen ausgesetzt. Das wusste man gerade 1949 nur zu gut.

Und so ist der Blick auf das Kreuz zweifellos der Blick auf ein Wertefundament unserer pluralistischen Gesellschaft. Denn es steht für den menschlichen Zusammenhalt aus einem Geist des Miteinanders gerade auch gegenüber vermeintlich Fremden und Fremdem. Das hat Jesus vorgelebt. Dieses Fundament freiheitlicher Toleranz ist im Grundgesetz gerade nicht reduziert auf einen gottlosen Humanismus, wie ihn manche militant betreiben. Wer das behauptet, entfernt sich vom Geist des Grundgesetzes. Dessen Idee von Mensch und Gesellschaft ist eben auch begründet in der Botschaft von Jesus Christus, die für uns Christen Humanismus untrennbar mit dem Bekenntnis zur Transzendenz vereint. Die Öffnung über rein Irdisches hinaus teilen übrigens die meisten Religionen.

Für mich unverständlich ist die jetzt öffentlich zur Schau gestellte Solidarisierung einiger kirchlicher Amtsträger oder Organisationen mit den Laizisten, die die Kreuze schon lange zumindest aus öffentlichen Gebäuden verbannen wollen. Sie grenzt an Selbstaufgabe, die gerade die Menschen anderer Religionen nicht schätzen und die viele Christgläubige befremdet. Christen sollten sich freuen über Kreuze in der Öffentlichkeit. Diese Symbole haben sowohl dem säkularen als auch dem religiösen Menschen Wichtiges zu sagen. Wer auf das Kreuz schaut, sieht sich dabei gleichermaßen konfrontiert mit einem wesentlichen Werteanker unserer humanistischen Toleranzkultur wie mit Jesus Christus als dem Sohn Gottes. Das mag manchem anstößig bleiben. Christen aber sollten niemals Kreuze verbannen oder abhängen.

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