Ursprünglich als Herkunftsbezeichnung eingeführt, um britische Verbraucher vor vermeintlich minderwertiger Importware zu schützen, hatte sich das Label ‚Made in Germany‘ als Gütesiegel für hohe Produktqualität und Zeichen für deutsche Wertarbeit entwickelt. Allerdings ist die Einführung des ‚Merchandise Marks Act‘ im Jahr 1887 lange her, und aktuell sind nicht nur bei der Deutschen Bahn oder Bundeswehr, sondern in vielen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft unsere Zuverlässigkeit, Präzision und Wettbewerbsfähigkeit infrage gestellt. Der schwindende inländische Anteil an der Produktion von Gütern nährt ebenso Zweifel wie die sinkende Einstellung zu harter Arbeit, die auch darin mündet: Arbeiten wir genug? Dies lässt sich leicht mit „Nein“ beantworten: Gemäß einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von 2023 ist die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit mit rund 1036 Stunden deutlich unter dem internationalen Durchschnitt und weist einen der niedrigsten Werte auf.
Nun mag die reine Arbeitszeit nicht generell für die Güte sprechen, man kann auch schnell und effizient zu Werke gehen. Das Umfeld ist jedoch von einer geringen Anspruchshaltung geprägt. Chillen oder Wellness, Work-Life-Balance oder Sabbatical prägen unseren Sprachgebrauch, und wenn der Radiosender bereits am Mittwoch die nahende Entspannung am Wochenende herbeisehnt, zeigt das die Ermüdungserscheinung in unserer Arbeitswelt. Dabei ist in diesen unsicheren geopolitischen Zeiten eher Aufwachen und Umkehr angebracht, damit unsere Gesellschaft und ihr langfristiges Wohlergehen gesichert sind.
Leistungswille, Engagement und Verantwortung sucht man vergeblich
Insofern ist anzuerkennen, dass die Katholische Kirche mit ihrem jüngsten Kommissionsbeitrag der Deutschen Bischöfe ‚Zur versöhnenden Kraft der Arbeit‘ an dieser Diskussion mitwirkt und in sieben Thesen ein Impulspapier zum Wert der Arbeit und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt beisteuert. Es ist jedoch wichtig, auch den unentgeltlichen Arbeitssektor, der in der elterlichen Erziehung und Bildung der Kinder, der häuslichen Altenpflege oder im Ehrenamt erfolgt, in seinem Wert zu beleuchten und gesellschaftlich aufzuwerten. Neben dem Wert muss insbesondere die Einstellung zur Arbeit adressiert werden. Leistungswille, Engagement, Anstrengung, Verantwortung für die Entwicklung der eigenen Talente und intrinsische Motivation sucht man in dem Impulspapier vergeblich. Zumindest wird Papst Johannes Paul II. aus seiner Sozialenzyklika Centesimus Annus von 1991 zitiert, dass Erwerbsarbeit „Tugenden (…) wie Fleiß, Umsicht beim Eingehen zumutbarer Risiken, Zuverlässigkeit und Treue in den zwischenmenschlichen Beziehungen, Festigkeit bei der Durchführung von schwierigen und schmerzvollen, aber für die Betriebsgemeinschaft notwendigen Entscheidungen und bei der Bewältigung etwaiger Schicksalsschläge“ braucht.
Gerade Fleiß und Leistungsbereitschaft sind heute einzufordern. Leistungsstreben muss auch in Deutschland positiv besetzt werden. Im Sport oder in anderen Kulturen kommen die Besten an die Spitze. ‚Do what you love, love what you do and deliver more than you promise‘, sagt man in Amerika. ‚Suchst du eine hilfreiche Hand, dann schau am Ende deines rechten Arms‘, lautet ein chinesisches Sprichwort. So lässt sich Subsidiarität auch beschreiben. Zunächst bedarf es der Anstrengung des Einzelnen, bevor die Gemeinschaft gefordert wird. Im christlichen Blick ist Eigenverantwortung aber auch immer mit Gemeinwohlorientierung gepaart. Insofern gehen Leistungswille und Leistungsvermögen immer mit Verantwortung für die weniger talentierten Leistungsträger sowie Schutz und Fürsorge für die Leistungsunfähigen einher.
Die Anstrengung der Besten zieht so die anderen nach sich und hebt das gemeinsame Niveau. Besinnen wir uns unserer Tugenden. Leistung aus Leidenschaft soll kein Werbeslogan eines einzelnen Unternehmens bleiben, sondern muss allgemein anerkannter Standard unserer Gesellschaft werden.
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