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Vulkankegel der Auvergne: Käse und Vulkane

Die Vulkankegel der Auvergne und die dazu gehörige Limagne-Ebene stehen seit 2018 auf der Unesco-Liste des Welterbes. Neben dem Käse pflegt man neuerdings auch Weinkultur.
SCORIA CONE CRATER PUY DE DOME
Foto: Imago | „Die Vulkankette des Puy-de-Dôme sowie das tektonische Einbruchbecken von Limagne bieten ein einzigartiges Panorama“, heißt es in der Begründung der UNESCO für den Welterbe-Status.

Es war ein Kraftakt, aber am Ende des elfjährigen Kampfes stand ein Sieg: Die Kette der 80 Vulkanberge (Chaîne des Puys) der Auvergne und die dazugehörige Tektonik-Arena der Limagne-Verwerfung steht auf der Welterbeliste der Unesco – als erste Naturstätte des französischen Festlands. Die Auvergne ist die Kernlandschaft des Zentralmassivs, wie die Region meist im Deutschen genannt wird. Vor Ort ist man sehr stolz über den Welterbe-Status. In der Begründung der Unesco heißt es: „Die Vulkankette des Puy-de-Dôme sowie das tektonische Einbruchbecken von Limagne bieten ein einzigartiges Panorama. Dieses gibt Einblick in die geologische Geschichte des europäischen Kontinents und ist exemplarisch für den alten kontinentalen Grabenbruch entlang des Zentralmassivs.“

Vor 35 000 Jahren brach zwischen den heutigen Gemeinden Enval und Ceyrat die Erdoberfläche zwischen 700 Meter und drei Kilometer Tiefe ein, so entstand die Tektonik-Arena der Limagne. Fruchtbare Sedimente füllten die Ebene, die zu den trockensten Gebieten Frankreichs zählt. Heute gedeihen dank guter Beregnung Mais, Weizen und andere Getreidearten, Tabak und Zuckerrüben bestens. Inzwischen ist man sogar konkurrenzfähig mit den großen Anbauflächen der Beauce und Brie in der Ile-de-France. In dem kleinen Ort Saint-Beauzire regiert und forscht im Biopôle Clermont-Limagne der Saatguthersteller Limagrain, mit 57 Filialen weltweit Marktführer für landwirtschaftliches Saatgut. In der Limagne bebauen die knapp 1 500 Genossenschaftler von Limagrain mehr als 41 000 Hektar Fläche.

„Gemeinsam ist den Weinen ein besonderer Ton,
Ergebnis der Basalt- und Granitböden des Départements.
Und führt in der Tat zur Erkenntnis: Was der Klimawandel alles möglich macht!“

Im Reigen der 43 französischen Welterbestätten ist die Naturstätte Chaîne des Puys und Limagne-Verwerfung einmalig. Denn sonst sind es meist Kathedralen, Schlösser oder Festungsanlagen, römische Monumente oder der das Mittelmeer und den Atlantik verbindende Canal du Midi, die auf der Welterbe-Liste stehen. Zur Auvergne schreibt die Unesco: „Die Vulkanregion gleicht einem imaginären Theater, in dem die Erdkruste aufbricht, einstürzt, Magma hervortritt und der Kontinent die gesamte Oberfläche aufsteigen lässt. Die Entwicklung der Erdgeschichte wird an dieser Landschaft sehr deutlich. Die grünen Vulkane sind Zeitzeugen dieser Geschichte.“

In der Tat, an den Vulkanen kommt man in der Auvergne nicht vorbei. Der Puy-de-Dôme ist der bekannteste, das Département trägt seinen Namen. Und: Er ist am leichtesten zu „erobern“: Die Zahnrad-Straßenbahn „Panoramique des Dômes“ fährt umweltfreundlich in 15 Minuten auf den 1 465 Meter hohen Vulkankegel, neben einer unterirdischen Bergstation gibt es dort Reste eines Merkur-Tempels und die 73 Meter hohe Antenne des Telekommunikationsdienstleisters TDF zu sehen, errichtet 1956/57 und Markenzeichen des Vulkanberges.

Ein einmaliger, regional beeinflusster Baustil

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Über das faszinierende Universum der Vulkane, über Naturphänomene des Himmels und der Erde klärt der 57 Hektar große Park „Vulcania“ seit nunmehr 20 Jahren auf. 15 Kilometer nordwestlich von Clermont-Ferrand gelegen, werden alle Erkenntnisse der Vulkanologie sowohl wissenschaftlich als auch spielerisch dem breiten Publikum gezeigt. Das Besucherkonzept des Volcan de Lemptégy, gelegen auf 1 018 Meter über N.N., ist noch zehn Jahre älter: Teils zu Fuß, teils mit der Kleinbahn entdecken die Besucher offene, alte Vulkane und deren Geschichte.

Notre-Dame du Port in der Altstadt von Clermont-Ferrand ist „Prototyp“ für alle Kirchen im romanischen Baustil und seiner auvergnatischen Ausprägung. Nicht weiter als 50 Kilometer von der Bischofsstadt Clermont-Ferrand liegen in der herben und doch anziehenden Landschaft der Vulkanhügel, Hochflächen und Täler weitere Kirchen, die Zeugnis ablegen von der Einmaligkeit des Baustils. Gemeinsam ist den fünf Kirchen in Saint-Saturnin, Saint-Nectaire, Orcival, Notre-Dame-du-Port in Clermont-Ferrand und Issoire die strenge und saubere geometrische Linienführung. Zwischen 32 Meter (Saint-Saturnin) und 65 Meter (Issoire) lang, das Mittelschiff etwa doppelt so hoch und doppelt so breit wie die Seitenschiffe. Besonders konstruiert sind die Vierungen mit ihren Gewölben. Schmuckstück ist immer der Chor, dessen Säulen meist herrliche Kapitelle tragen.

Die Abgelegenheit bestimmt den Stil der Epoche

Kirchen dieses Typs entstanden fast ausschließlich im Bistum Clermont im Zentralmassiv, um das Jahr 1200, zu einer Zeit, als in der Ile-de-France bereits erste gotische Kathedralen in den Himmel wuchsen. Da wird deutlich, wie abgeschnitten das Mittelgebirge im Herzen Frankreichs und wie konservativ der Geschmack von Klerus und Gläubigen in der Auvergne damals war. Gotische Kirchen konnten sich nicht durchsetzen; die Kathedrale von Clermont-Ferrand wurde erst im 19. Jahrhundert vollendet. Doch im Grundriss ihrer Krypta findet sich der „Schlüssel“ für die Kirchen der auvergnatischen Schule: Die 946 geweihte, damals neue Kathedrale von Clermont öffnete sich vom Chor auf einen Chorumgang und vier Kapellen. Damit war der Typus der romanisch-auvergnatischen Kirchen „geboren“.

Mehr Milchkühen als Menschen begegnet man in manchen Auvergne-Tälern. Kurvenreiche Wege führen zu Höfen und Kellern, in denen Frankreichs berühmteste Käse, die „Big Five“ der Auvergne, reifen: Fourme d´Ambert, Bleu d´Auvergne, Saint-Nectaire, Salers und Cantal. Da ist die „Ferme Bellonte“, oberhalb des Wallfahrtsortes Saint-Nectaire-le-Haut. Bäuerin Lisa, ihre Geschwister sowie eine Handvoll Saisonkräfte betreiben den Familienbetrieb, gerne darf man dabei zusehen: Morgens zwischen 7 und 8 beim Melken, dann beim Zubereiten des Saint-Nectaire, das gleiche Programm nochmals mit Melken ab 16 Uhr und anschließende Käse-Affinage.

Auch Präsidenten stammen aus der Gegend 

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Spätestens da denkt der Besucher an das Zitat des einheimischen Schriftstellers Alexandre Vialatte: „Die Auvergne liefert Minister, Käse und Vulkane“. Vialatte starb zu früh (1971), denn das Zentralmassiv liefert nicht nur Minister, sondern sogar Staatspräsidenten: In Montboudif erinnert ein Denkmal an den dort geborenen Georges Pompidou, in Chamalières, einem Vorort von Clermont-Ferrand, begann Valéry Giscard d´Estaing seinen Aufstieg in den Elysée-Palast, im benachbarten Limousin hatten die späteren Präsidenten Jacques Chirac und François Hollande ihre Wahlkreise.

Vulkanismus und Thermalismus sind eng verbunden: Da ist nicht nur der weltbekannte Badeort Vichy mit seinen Quellen, edles Wasser für alle Tage kommt aus dem kleinen Ort Volvic nördlich von Clermont-Ferrand. 3 800 Hektar Wald und Wiesen bilden den natürlichen Untergrund für die Quelle, die Pierre Moity, von 1912 bis 1938 Bürgermeister von Volvic, fassen ließ. Fünf Jahre braucht das Wasser, um durch alle filternden Schichten hindurch aus 90 Metern Tiefe bis zur Abfüllanlage zu gelangen, wie man im Espace d´Information Volvic erfährt. Mehr als 80 000 Besucher kommen jährlich, die wichtigsten Exportländer sind Japan, Großbritannien und Deutschland.

Erfolgreicher Weinbau

Royat, ein Vorort von Clermont-Ferrand, ist bereits seit der Römerzeit Kurort. Die meisten der Luxushotels rund um das Quellenhaus der Thermes de Royat sind inzwischen umgewandelt in Appartements, im neuen Royatonic sollen Badegäste „spielerisch“ Badefreuden genießen. Ohnehin sind die höheren Viertel oberhalb von Clermont-Ferrand beliebt, geht es dort ruhiger zu als „unten“ in der Großstadt. Nicht wenige Gäste zieht es in das Art-Déco-Hotel „Radio“, das seit 1930 in Chamalières empfängt.

Neuerdings steht mit Lionel Chauvin ein bekennender Hobby-Winzer aus Châtel-Guyon an der Spitze des Conseil Départemental du Puy-de-Dôme. Der Agrar-Experte verlieh kürzlich gemeinsam mit dem örtlichen Weinbauverband das Label „Vignobles et découvertes“. Die Côtes d´Auvergne genannten Weinberge erstecken sich inzwischen auf rund 400 Hektar im Herzen einer talreichen, von mehrtausendjährigen vulkanischen Aktivitäten modellierten Landschaft. Gemeinsam ist den Weinen ein besonderer Ton, Ergebnis der Basalt- und Granitböden des Départements. Und führt in der Tat zur Erkenntnis: Was der Klimawandel alles möglich macht! Denn vor 40 Jahren steckte der Weinbau in der Auvergne noch in den Kinderschuhen.

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