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Puebla: Eine mexikanische Perle der Superlative

Die UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt Puebla ist einen Besuch wert, der nach der Corona-Pandemie hoffentlich bald wieder sicher möglich ist.
Blick auf die Kathedrale von Puebla
Foto: Foto: | Blick auf die Kathedrale von Puebla von der Dachterrasse des Museo Amparo: Noch mehr denn Kulturstadt ist Puebla ein Zentrum des Katholizismus, dank zahlreicher Kirche und Klöster, die jedoch zum Teil in einem ...

Weltkulturerbe – ein großes Wort. In Puebla springt es den Besucher an jeder Ecke an. Puebla hält dabei, was das 1987 verliehene UNESCO-Label verspricht: Die Weltkulturstätten sind sehenswert, allen voran die Bibliothek „Palafoxiana“, gegründet 1646 von Bischöfe Juan de Palafox y Mendoza, damals Vizekönig von Neuspanien. Sie gilt als die älteste Bibliothek Amerikas. Gestartet mit den 5 000 Bänden aus dem Privatbesitz des Gründers, umfasst der Bestand heute etwa 45 000 Medien. Sodann die Rosenkranzkapelle (Capilla del Rosario) in der Kirche des ehemaligen Dominikanerklosters. Eine barocke Symphonie in Gold aus dem 17. Jahrhundert, die zu den herausragenden sakralen Kunstschätzen Mexikos zählt. Wer mehr über diese kunsthistorische Epoche erfahren will, kann die Dauerausstellung im „Museo Internacional del Barroco“ besuchen, die einen tiefen Einblick gibt über den Barock in Mexiko und dem Rest der Welt.

Zudem darf sich das Rathaus (Palacio Municipal), die Kathedrale, die Kirche „El Senor de las Maravillas“ sowie die gesamte Altstadt mit dem begehrten UNESCO-Titel „Weltkulturerbe“ schmücken.

Chili-Schoko-Soße als Kulturerbe

Schließlich gilt die regionale kulinarische Spezialität „Mole Poblano“ als immaterielles Weltkulturerbe, eine Chili-Schoko-Soße mit mehr als 30 Zutaten, die einen einzigartigen Geschmack entfaltet. Die typischen Süßspeisen Pueblas – ursprünglich aus klösterlicher Produktion, heute säkular vermarktet – sind aber auch nicht zu verachten, ebenso wie der zuckersüße Likör „La Pasita“, dessen Name auf die Rosine (la pasa) zurückgeht, mit der das Getränk serviert wird. Dazu wird ein Stückchen deftigen Käses gereicht. Etwas gewöhnungsbedürftig, die Küche Pueblas, aber sehr lecker. Wer mehr wissen (und probieren) will, kann den „Mercado de Sabores“ besuchen, eine Art Dauermesse gastronomischer Köstlichkeiten.

Bischofssitz seit 1543

Am 16. April 1531 als „Puebla de los Angeles“ von etwa 40 spanischen Conquistadores aus Zaragoza im Cuetlaxcoapon-Tal gegründet, ist Puebla (Namenszusatz „de Zaragoza“) eine der ältesten Städte des kolonialisierten Lateinamerika. Wirtschaftlich erlangte sie ihre Bedeutung als Zwischenstation auf der Handelsstraße zwischen Veracruz und Mexiko-Stadt. Auch kirchlich gewann die neue Siedlung rasch Prestige: Im Jahr 1543 wurde der Bischofssitz des 1525 gegründeten Bistums Tlaxcala nach Puebla verlegt. 1903 wurde es von Papst Pius X. zum Erzdiozösen erhoben und in „Erzdiozösen Puebla de los Ángeles“ umbenannt.

Im typischen Kolonialstil errichtet, hilft die schachbrettförmige Anordnung der Straßen heute sehr bei der Orientierung, zumal die Straßen praktischerweise nach Himmelsrichtungen geordnet und durchnummeriert sind. Etwa zwei Busstunden südlich der 20-Millionen-Metropole Mexico D.F. gelegen, bietet das immerhin noch 1,5 Millionen Menschen beherbergende Puebla eine fast dörfliche Atmosphäre mit – für lateinamerikanische Verhältnisse – viel Grün und einem überschaubaren Verkehrsaufkommen. Es lohnt sich, etwas länger zu verweilen.

Pandemiebedingte Einschränkungen

Wir bleiben insgesamt zwölf Tage in der Stadt – auch bedingt durch gewisse Einschränkungen im Reiseverkehr aufgrund der Corona-Pandemie, die in Mexiko allerdings zunächst verhältnismäßig glimpflich verläuft. Dennoch sind Vorsichtsmaßnahmen ergriffen worden, die unsere Reiseplanung betreffen. So wurde die einmal im Monat in Puebla stattfindende „Nacht der Museen“ im März leider abgesagt, die bereits laufende Buchmesse abgebrochen. Als wir längst schon wieder in Deutschland waren, entwickelte sich Mexiko zu einem Hotspot der Pandemie, mit über einer Million Infektionen und über 100 000 Toten. Viele der von uns besuchten Sehenswürdigkeiten waren ab April 2020 geschlossen, nachdem man lange – vielleicht zu lange – versucht hatte, eine gewisse Normalität aufrechtzuerhalten. Komplizierte dramatische Zeiten, auch für den Tourismus. Wie sehr das Land auf diesen Wirtschaftsfaktor angewiesen ist, zeigten die verzweifelten Versuche, die Urlaubsregion Cancún ab Herbst wieder für touristische Reisen zu öffnen. Ein Versuchslabor, aus der Not geboren.

Kultur der indigenen Ethnien

Unsere Reise im März ging weiter. Wir besuchen dann am Tage das „Museo Amparo“, das bereits architektonisch eine Besonderheit darstellt: außen rustikaler Kolonialbau, innen hochmoderne Ausstellungssäle. Die sehr didaktisch aufgestellte Sammlung gibt Einblick in die reiche Geschichte und Kultur der indigenen Ethnien Mexikos und zeigt etwa 700 prähispanische Artefakte. Zudem verfügt das Museum über ein nettes Terrassencafé mit toller Aussicht auf die Kathedrale. Das alles für einen sehr sozialen Eintrittspreis von umgerechnet 1,80 Euro. Ohnehin präsentiert sich Puebla als Kulturstadt für alle – zumindest: für viele. Man müht sich redlich um ein Programm, das Einheimische und Touristen gleichermaßen anspricht. In der „Casa de Cultura“ finden Ausstellungen zeitgenössischer Maler und Bildhauer statt, im großen Lichthof des Gebäudes kann man an den Wochenenden Konzerten lauschen und Tanzdarbietungen anschauen. Alles kostenlos.

Zentrum des Katholizismus

Noch mehr denn Kulturstadt ist Puebla ein Zentrum des Katholizismus, dank zahlreicher Kirche und Klöster, die jedoch zum Teil in einem ziemlich schlechten Erhaltungszustand sind. Die Gemeinden benötigen erhebliche Mittel für Sanierungen, die in Mexiko nicht so üppig sprudeln wie in den kirchensteuerfinanzierten Diözesen Deutschlands und Österreichs. Zu sehen ist vor allem die glorreiche Vergangenheit der Kirche, etwa im Museum für religiöse Kunst. Die Ausstellung im ehemaligen Kloster Santa Mónica, einem Sakralbau aus dem 17. Jahrhundert, ist die erste in Mexiko, die sich speziell dem Leben in einem Frauenorden widmet. In 23 Räumen wird dem Besucher das Leben der Klausurschwestern nahegebracht. Gleich nebenan befindet sich die Kirche „El Senor de las Maravillas“, deren Bedeutung weniger in einer kunsthistorisch wertvollen Ausstattung wurzelt, als vielmehr darin, dass die Christus-Figur in der Volksfrömmigkeit unter Pueblas Gläubigen eine besondere Verehrung erfährt.

Volkswagen in Mexico

Am nächsten Morgen geht es ins benachbarte Cholula, vorbei am Volkswagen-Werk, dem größten Arbeitgeber der Region. Volkswagen lässt in Puebla nicht nur seit über 20 Jahren Autos für den amerikanischen Markt fertigen, das Unternehmen engagiert sich auch kulturell: Eines der größten privaten Sprachzentren für Deutsche Sprache auf dem amerikanischen Kontinent geht auf die Initiative des Autobauers zurück („Centro de Idiomas Volkswagen“).

Das malerische Städtchen am Fuße zweier aktiver Vulkane mit den unaussprechlichen Namen Popocatépetl und Iztaccíhuatl, hält manchen Superlativ bereit: die – gemessen an der Grundfläche von 400 mal 400 Metern – größte Pyramide der Welt (die Cheops-Pyramide in Gizeh fände darauf viermal Platz), einen großen Marktplatz mit der längsten Arkadengalerie Lateinamerikas und dazu – der Legende nach – 365 Kirchen, für jeden Tag eine. Der Stadtplan notiert 38 Kirchen und Klöster, die zu besichtigen sind – immer noch eine stolze Zahl für eine Kleinstadt.

Besondere Kirchen

Zwei von ihnen stechen besonders hervor. Zum einen die Hauptkirche der Franziskanermissionare, denen die Evangelisierung Mexikos übertragen wurde: San Francisco Acatepec. Zum anderen die Kirche Santa Maria Tonanzitla, in der die mütterliche Naturgottheit („Tonan“ bedeutet in der indigenen Sprache Náhuatl „Mutter“) symbolisch aufgenommen wurde. So dominieren in der Kirche Kinderfiguren, die von Naturmotiven (Blumen und Obst) umrankt sind. Schließlich verweist diese Ausgestaltung auf Maria als Mutter Gottes: Im Alterraum steht eine Mondsichelmadonna, die wiederum an die Jungfrau von Guadalupe erinnert. Eine derartige synkretistische Überschreibung tradierter religiöser Formen und Vorstellungen ist in Lateinamerika nicht unüblich, sorgte sie doch für die Akzeptanz des neuen Glaubens in der Neuen Welt.

Sehenswert ist auch das ehemalige Franziskanerkloster „San Gabriel“ mit der „Capilla Real de Naturales“ aus dem 16. Jahrhundert, die mit ihren 49 Kuppeln baulich an eine Moschee erinnert. Auch diese Kapelle ist in ihrer Bauweise einzigartig in Lateinamerika. Beeindruckend auch die Wallfahrtskirche „Nuestra Senora de los Remedios“ ganz oben auf der riesigen Pyramide. Der mühsame Aufstieg lohnt sich, zumal man von dort einen großartigen Rundumblick über Cholula und Puebla hat.

400 Tierarten und Vulkane

Naturliebhaber können mehr als auf rauchende 5 000 Meter hohe Vulkane starren (was allerdings schon ziemlich beeindruckend ist) – im Süden Pueblas wartet eine echte Safari-Erfahrung. Die „Africam Safari“ bietet eine Annäherung an über 400 Tierarten, darunter Löwen und Giraffen. Auch Wanderausflüge in die bergige Umgebung oder in den Nationalpark Izta-Popo sind möglich, ehe man irgendwann wieder nach Mexiko-Stadt zurückkehren muss, um den Flieger in die Heimat zu nehmen. Wenn das wieder geht.

Für 2021 bleibt zu hoffen, dass die Schönheit dieser Region Mexikos wieder vielen Menschen zugänglich ist. Ein weiteres Krisenjahr für die Tourismusbranche würde das Land wirtschaftlich weiter zurückwerfen, einen neuen Migrationsschub auslösen, Korruption und Kriminalität wachsen lassen.

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