Preisverleihungen sind so gut wie immer umstritten. Auch die Vergabe der Nobelpreise bilden da keine Ausnahme. So gut wie immer hätte die Wahl der Preisträger auch anders ausfallen können, besteht die Gefahr, dass der Preisverleihende die Möglichkeit der Preisvergabe nutzt, um eigene Interessen zu befördern. Doch selten war die Instrumentalisierung einer Preisvergabe so leicht erkennbar, wie in diesem Jahr.
Denn das Nobel-Komittee begründet die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises für Medizin an die Ungarin Katalin Karikó und den Amerikaner Drew Weissman doch tatsächlich damit, dass deren „Entdeckungen von Nukleosid-Basenmodifikationen“ die „Entwicklung wirksamer mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 ermöglicht“ habe. Explizierter lässt sich Grundlagenforschung gar nicht politisieren.
Die Adelung der mRNA-Impstoffe gegen COVID-19
Mit der Vergabe des Nobelpreises an die beiden Forscher werden also zugleich die Impfstoffe und deren Produzenten geadelt, die sich die mRNA-Technologie zu Nutze gemacht haben. Dass immunisiert natürlich gegen Kritik, an der kein Mangel herrscht. Eine Folge: Wissenschaftliche Arbeiten, welche die Nebenwirkungen untersuchen, die mit mRNA-Impfung gegen COVID-19 einhergehen, dürften es in Zukunft noch schwerer haben, ein geeignetes Publikationsorgan zu finden und das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken.
Geadelt wird aber auch eine Methode, die den menschlichen Organismus als bloße Maschine betrachtet. Denn die mRNA weist Zellen des Organismus an, ihre bisherige Tätigkeit einzustellen und stattdessen etwas zu produzieren, das ihm potenziell schadet. Hat er dies in ausreichender Menge produziert, soll er es anschließend bekämpfen. Dass diese Mischung aus „fremd“ und „eigen“ das Immunsystem „verwirren“ und zu schweren Autoimmunreaktionen führen kann, muss eigentlich nicht verwundern.
Unausgereifte Technologie
Der menschliche Organismus ist aber keine Maschine und die mRNA-Technologie alles andere als ausgereift. Gut möglich, dass sie künftig im Kampf gegen Krebs eine wichtige Rolle spielen kann. Aber für die Produktion von Impfstoffen ist sie bislang einfach nicht hinreichend gut erforscht. Darüber kann ihr Einsatz bei COVID-19 nicht hinwegtäuschen. Im Gegenteil: Bei genauerer Betrachtung handelte sich bei ihrem Einsatz um einen weltweiten Menschenversuch. Einen, über dessen Erfolg oder Misserfolg daher auch völlig zu Recht gestritten wird.
Das dürfte nun deutlich noch schwieriger werden. Damit nicht genug: Mit der Politisierung des Medizin-Nobelpreises geht jedoch auch seine Entwertung einher. Künftige Preisträger werden das zu spüren bekommen. Auch das ist eigentlich nicht zu verantworten.
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