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Wie wird ein junger Mensch zum „tüchtigen Katholiken“?

Den Verstand schärfen, das Herz bilden: Einige Gedanken zu Erziehung und Bildung aus katholischer Perspektive.
Szene aus dem Film „Madeline“ (1998) mit  Frances McDormand
Foto: imago stock&people | Zu allen Zeiten eine Herausforderung: Religiöse Erziehung.

Bildung und Erziehung drücken sowohl eine Tätigkeit aus (bilden und erziehen), wie auch deren Ergebnis (nämlich gebildet bzw. erzogen zu sein). Bildung meint Gestaltung des Geistes, betrifft Verstand und Gedächtnis, ermöglicht das Erfassen von Wirklichkeit; Erziehung hingegen bezweckt eine Formung des Charakters, bezieht sich auf Tugend und Temperament, verändert unser Auftreten und unsere Disziplin. Bildung und Erziehung gehören zusammen: Die eine hilft uns die Welt richtig zu verstehen, die andere angemessen zu ihr in Beziehung zu treten. Dies geschieht durch Unterweisung und Studium, Bedürfnisaufschub und Selbstüberwindung. Der rechte Gebrauch von Vernunft und Willen will gelernt sein.

Welche Einsichten, Fertigkeiten und Haltungen eingeübt werden sollen, in welchen Einrichtungen und in welchem Rahmen dies zu geschehen hat, darauf gibt es je nach Standpunkt verschiedene Antworten. Wenn für uns Christen alles durch und auf den Sohn Gottes hin geschaffen wurde (vgl. Kol 1, 16), dann können wir die Welt nicht umfänglich erfassen, ohne uns auf Christus auszurichten, denn er ist Ursprung, Mitte und Ziel unseres Daseins.

Als mit der Neuzeit der Mensch zum Referenzpunkt des Denkens wurde, besann sich der heilige Ignatius von Loyola (1491-1556) auf die kirchliche Sichtweise: „Der Mensch ist geschaffen, Gott, unseren Herrn, zu loben, ihm Verehrung zu erweisen und ihm zu dienen, und mittels dessen seine Seele zu retten; die irdischen Dinge sind dazu gemacht, dass sie dem Menschen bei der Verfolgung jenes Ziels helfen, zu dem er geschaffen ist.“ Dieses Prinzip der Ignatianischen Exerzitien muss auch die Grundlage jeglicher katholischen Bildung und Erziehung sein.

Meister Eckhart (1260-1328), der den Begriff der „Bildung“ in der deutschen Sprache prägte, geht es darum, jenem Bild gerecht zu werden, nach dem wir geschaffen wurden. Durch Umgestaltung in Christus sollen wir das sein, wozu wir berufen sind: „Imago Dei“ (Gottes Ebenbild). Das Ziel von Bildung und Erziehung besteht in der Vervollkommnung der Persönlichkeit, was in erster Linie (aber nicht ausschließlich) Heiligkeit bedeutet. Die Benediktiner, welche getreu dem Motto „ut in omnibus glorificetur Deus“ (damit in allem Gott verherrlicht werde) leben, brachten durch Gebet und Arbeit unsere Kultur hervor. Josef Pieper (1904-1997) charakterisiert die katholische Lebensweise als eine „auf die christliche Theologie gegründete Weltlichkeit“. Bildung und Erziehung müssen sowohl Lebenstauglichkeit als auch Teilhabe an Kultur ermöglichen, erschöpfen sich aber mitnichten darin, sondern sind viel ganzheitlicher zu denken, sollten sämtliche Bereiche des Menschseins durchdringen, müssen das Übernatürliche mit einbeziehen.

Verstand und Willen schulen

Bildung ist kognitiv, setzt beim Staunen und der Neugierde an, will allem auf den Grund gehen, vermittelt folgerichtig zu denken, will Wirklichkeit erkennen, sie in Kategorien ordnen und Zusammenhänge verstehen. Beim Ergründen dessen, was die Welt im Innersten zusammenhält, gilt es sowohl die Realien zu begreifen als auch die Metaphysik zu durchdringen. Schließlich stellt sich die Frage nach Gott, seiner physischen und moralischen Ordnung. Es gilt menschliches Wirken in seinen historischen Kontext einzuordnen, aber auch die Heilsgeschichte zu betrachten. Wenn wir das Diesseits vollumfänglich verstehen wollen, müssen wir lernen, die Welt induktiv auf Gott hin und deduktiv von ihm her zu deuten. Bildung beinhaltet Wertschätzung christlichen Schrifttums, Vertrautheit mit klassischer Lektüre und intensive Auseinandersetzung mit der Literatur; sie involviert Theologie, ferner Kenntnis von Sprachen, gewährt Einblick in die Gesellschafts- und Naturwissenschaften, meint mathematisches Denken – allgemein gesprochen: Wissen und die Fähigkeit, es anzuwenden.

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Er-Ziehung hingegen ist Be-Ziehung; wir erwerben sie qua Vorbild, durch Nachahmung erlangen wir Sittsamkeit, mittels Korrektur Integrität, durch Anerkennung werden wir ermutigt. Erziehung bedeutet Ängste zu überwinden und sich selbst zu besiegen, Haltung zu zeigen und für die erkannte Wahrheit einzutreten, gleichzeitig höflich, Menschen zugewandt, liebenswürdig zu sein. Es geht um Selbstkontrolle und Leistungsbereitschaft, Beharrlichkeit und Ordnungsliebe, Gewissenhaftigkeit und Geduld, um Lebensfreude und Entschlossenheit. Auch eine gute Gebetshaltung ist Erziehungssache. Zum rechten Schliff gehören Rücksichtnahme ebenso wie Tatkraft, Demut, Barmherzigkeit, Takt und Feingefühl ebenso wie Selbstsicherheit. „Nec laudibus, nec timore“ (weder Menschenlob noch Menschenfurcht) war der Wahlspruch des seligen Kardinals von Galen (1878-1946).

Erziehung bedeutet Willensbildung und fördert Resilienz, formt die Contenance und bewirkt Manieren. Ihr Ziel ist eine Reifung in den Kardinaltugenden (Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit, Klugheit), aber auch ein Gedeihen im übernatürlichen Bereich (Glaube, Hoffnung, Liebe). Ein geregeltes Leben mit sportlicher Betätigung oder diszipliniertem Musizieren sind hervorragende Mittel, um in der Persönlichkeit zu wachsen. Exerzitien und Programme wie „Exodus90“ helfen, alles auf Christus auszurichten, um besser Gottes Willen zu erfüllen und anderen wahrhaft zum Segen zu werden.

Herzensbildung und Nachfolge

Neben Verstand und Willen zeichnet sich der Mensch durch Gefühl und Empathie, Phantasie und Gedächtnis aus. Pädagogik und Didaktik dürfen niemals die Herzensbildung vernachlässigen: Durch anmutige Kinderbücher, hübsche Spielsachen, klassische Musik, stilvolle Kleidung, zeitlose Möbel, die Obhut von Tieren, Freude an Gärten und gepflegtem Essen, nicht zuletzt auch an der Liturgie gilt es die Empfänglichkeit für das Gute, Wahre und Schöne zu schulen. Empfindsamkeit ist die Voraussetzung, sowohl um die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen, als auch sein Gewissen zu bilden. Wer sensibel ist, vermag dankbar zu sein, was die Grundlage jenes Glücks bildet, wozu wir alle berufen sind: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4) Mit erfülltem Herzen lässt es sich leichter leben. Wer seine Kräfte in den Dienst des Herrn stellt, der dankt im Gebet für sein Tagwerk und verrichtet es in Verbundenheit mit Gott, bei dem bedingen sich Kontemplation und Aktion gegenseitig.

Den Vollzug des Alltags zur Heiligung nutzend, die Schaffenskraft in den Dienst des Nächsten stellend, Kultur aus der Warte des Glaubens sehend, seine Berufung aktiv lebend und die geschenkten Jahre als Talent sehend, als Auftrag und Verpflichtung – das ist es, was eine Person zur Persönlichkeit macht. Ein Katholik sorgt für seine Familie, er lebt die Heilige Messe und stellt sich gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen, die in jeder Generation eine politisch andere Farbe haben; statt sich abzukapseln, versucht er Menschen für den Glauben zu gewinnen, ist gastfreundlich und hilfsbereit. Bildung und Erziehung sollten darin münden, Jesus in unserer Seele sowie in unserem Lebensumfeld zu beheimaten, Sein Reich schon auf dieser Erde sichtbar werden lassen.

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