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Falkland-Inseln: Der bizarre Krieg

Falkland-Inseln: Vor 40 Jahren kämpften Argentinien und Großbritannien gegeneinander.
Darwin-Friedhof auf den Falkland Inseln
Foto: dpa | Falkland-Inseln: Angehörige nehmen an einem Gottesdienst auf einem Friedhof, auf dem Gefallene des Krieges von 1982 liegen, teil.

Was bewegt die Regierung des Landes mit der achtgrößten Fläche aller Staaten, ein benachbartes Territorium, mit weniger Fläche als Thüringen, zu beanspruchen? Weideland oder Siedlungsfläche keinesfalls. Es geht eher um Fischereirechte in Territorialgewässern; um einen strategischen Außenposten; um vorhandene Erdölvorkommen. Nicht zuletzt um ein angeblich historisch belegtes Besitzrecht. Entdeckt wurde die Inselgruppe vor der Spitze Südamerikas zum Ausgang des 16. Jahrhunderts. 1763 erwirkte Louis-Antoine de Bougainville von König Louis XV. die Erlaubnis, auf den Falklandinseln eine Siedlung zu gründen: sie sollte als Sprungbrett für das Auffinden des sagenhaften Südkontinents – Terra Australis – dienen.

Im Januar 1764 gründete er mit seinen 150 Begleitern auf Ostfalkland die Siedlung Fort Saint Louis. Nach wenigen Tagen wurde die Besitznahme offiziell vollzogen: den Gottesdienst hielt der Benediktinermönch Antoine Pernety. Zum Ende rief die versammelte Menschenmenge ein „Vive le Roi“; hernach wurden 21 Salutschüsse abgefeuert. Dom Pernety sorgte nicht nur für das Seelenheil der Siedler, sondern betätigte sich auch als eifriger Chronist und Botaniker. Er war es auch, der die reichen Torfgründe entdeckte: ein willkommener Brennstoff auf den fast baumlosen Inseln.

Drei Jahre französische Hoheit

Die französische Hoheit währte nur drei Jahre: Louis XV. hatte dem Druck des spanischen König nachgegeben, der auf die Besitznahme Ostfalklands gedrängt hatte. De Bougainville verkaufte seine Siedlung für 616 108 Livre. Inzwischen hatte John Byron auf der Insel Saunders vor Westfalkland sein Fort Egmont gegründet und die Inseln für König Georg III. in Besitz genommen. Seither währt der Streit.

Seit Januar 1833, als Kapitän Onslow die Siedlung Port Louis vom argentinischen Kommandanten übernommen hatte, sind die Inseln ein britisches Überseegebiet – wie Bermuda und Pitcairn beispielsweise. Die kleine Kommune von weniger als 2 000 Menschen stand wirtschaftlich immer gut da: alle hatten ihr Auskommen; nicht wenige zwei oder mehr Jobs. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Hauptort Stanley Straßenlaternen; auch ein einfaches Telefonnetz; selbst die Kinder in abgelegenen Siedlungen erhielten Schulunterricht. Seit 1929 gibt es Rundfunk.

1892 wurde Christ Church Cathedral, die südlichste Kathedrale überhaupt, geweiht; 1899 St. Mary?s, ebenfalls in Ross Road, als Gotteshaus der Katholiken. Obwohl die katholische Gemeinde nur die zweitstärkste der Inseln ist, haben ihre Pfarrer einen besonders signifikanten Beitrag fürs Gemeinwesen geleistet. Pfarrer Migone, der fast 40 Jahre auf den Inseln wirkte, machte meteorologische Aufzeichnungen, betrieb seit 1913 eine eigene Stromerzeugung, die es ihm auch ermöglichte, eine wöchentliche Filmvorführung anzubieten. Auf Pastor Migones Initiative kamen 1907 Salesianerinnen nach Stanley, die in St. Mary?s – zusätzlich zu regierungsgeführten Bildungseinrichtungen – eine Schule unterhielten.

Vielfältiger katholischer Einfluss

Einer von Pater Migones Nachfolgern, der niederländische Geistliche Rudolf Roël, konnte im September 1966 in seiner Eigenschaft als katholischer Priester eine Geiselnahme relativ schnell und unblutig beenden. Damals hatten 18 militante Peronisten eine Aerolíneas Argentinas-Linienmaschine auf dem Flug nach Río Gallegos entführt und zur Landung auf der Rennbahn in Stanley gezwungen. Dort pflanzten sie ihre Landesflagge in den Boden und forderten vom britischen Gouverneur die Anerkennung der argentinischen Hoheit über die Inseln, die sie selbst „Malvinas“ nennen. Nachdem die Nationalisten die Handvoll herbeigeeilten Einheimischen als Geiseln genommen hatten, schalteten sich Pfarrer Millam und Roël ins Geschehen ein – und konnten die Freilassung von Frauen und Kindern erwirken. Am folgenden Morgen ging Vater Roël erneut an Bord, wo er eine Messe abhielt. Mit seinem Prestige als katholischer Pfarrer und Spanisch sprechend gelang es ihm, die 17 Männer und eine Frau, die 27-jährige Journalistin María Ferrier, zur Aufgabe zu bewegen. Diese Aktion fand unabhängig von den Forderungen der jeweils in Buenos Aires Regierenden statt. Dreizehn Jahre später wurde bei Stanley der erste Flughafen, finanziert vom englischen Mutterland, eingeweiht: die argentinische Gesellschaft LADE konnte nun größeres Fluggerät einsetzen. So lebte 1982 eine respektable Anzahl Argentinier in Stanley: LADE-Personal und solches der Ölgesellschaft YPF. Das Verhältnis zwischen Kelpern und Argentiniern war entspannt. Bis zum April 1982.

Kriegsbeginn am 2. April

Am 1. April, exakt um 15.30 Uhr, sprang der Fernschreiber in Government House, dem Wohnsitz und Dienstort des Gouverneurs, an. Dick Baker, Gouverneur Rex Hunts rechte Hand und Stellvertreter, riss das Blatt vom Gerät und las die Nachricht aus London: „Wir haben anscheinend verlässliche Beweise dafür, dass sich eine argentinische Spezialeinsatzgruppe morgen früh, am 2. April, vor Cape Pembroke sammeln wird. Sie werden entsprechende Vorkehrungen treffen wollen.“ Mehr gab es in den folgenden Tagen aus Whitehall nicht!

Hunt informierte die lokale Verteidigungstruppe FIDF und Major Norman, Kommandeur der 69 auf den Inseln stationierten Royal Marines. Am Abend sprach er übers Radio zur Bevölkerung. Am frühen Morgen des 2. April gingen die Invasoren an Land: der Kampf um Government House begann. Rex Hunt kapitulierte. Das Verhältnis zwischen den Besatzern, die sich als „Befreier vom britischen Kolonialismus“ sahen, und den Einheimischen war anfangs relativ entspannt.

Das änderte sich, als der Flughafen Stanley bombardiert wurde und die Task Force die Inseln erreicht hatte. Potenzielle Unruhestifter wie Bill Luxton wurden außer Landes gebracht, andere – Gerald Cheek, Stuart Wallace, Richard Cockwell und elf weitere – nach Fox Bay gebracht und dort interniert. Besonders unberechenbar war der Geheimdienstchef Major Dowling: er hätte am liebsten alle Falkländer getötet – dann wäre das Problem gelöst, erinnert sich Alison Howe, die im Upland Goose Zeugin eines Gespräches war. An einigen besonders unliebsamen Insulanern wie Robin Pitaluga wurden sogar Scheinhinrichtungen durchgeführt.

Der Papst als Vermittler

Währenddessen liefen Vermittlungsversuche auf internationaler Ebene. Johannes Paul II. besuchte wie lange geplant Großbritannien. Ungeplant und kurzfristig wenige Tage danach Argentinien, wo er sagte: „Erlauben Sie mir, von diesem Moment an den Frieden Christi auf alle Opfer beider Seiten zu beschwören […]. Lassen Sie mich von den Regierungen und der internationalen Gemeinschaft geeignete Maßnahmen fordern, um größeren Schaden zu vermeiden, die Wunden des Krieges zu heilen und die Wiederherstellung der Bedingungen eines gerechten und dauerhaften Friedens sowie eine allmähliche Besänftigung der Geister zu begünstigen.“

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Zu dieser Zeit feierten einige Handvoll Gläubige den Gottesdienst in Stanley. John Smith in seinem Tagebuch: „Eine weitere geräuschvolle Messe in St. Mary?s. Die Kirche wurde so stark erschüttert, dass aus den Bleiglasfenstern hinterm Altar weitere Stücke herausgedrückt wurden.“

Am 14. Juni hatten die britischen Streitkräfte die Inseln befreit. Gestorben waren drei Einheimische, 255 Briten und 649 Argentinier. In den Jahren danach nahmen sich mehrere hundert traumatisierte Soldaten beider Seiten das Leben. Seit Kriegsende gab es neben Drohgebärden seitens Buenos Aires‘ auch Charmeoffensiven, besonders vom ehemaligen Außenminister Guido di Tella. Der schickte in den 1990er Jahren an hunderte Falkländer Weihnachtsgrußkarten; auch Geschenke.

Nicht käufliche Insulaner

Die Krönung war das Angebot, jeder Falkland-Familie, die sich der argentinischen Souveränität über die Inseln beugt, eine Million Dollar zu zahlen. Doch besonders die alteingesessenen Insulaner, die sich selbst Kelper nennen, lassen sich nicht kaufen: 2013 votierten gerade mal drei – bei einer Wahlbeteiligung von 92 Prozent – für eine Loslösung von Großbritannien.

Dieses Jahr jährt sich nun der Krieg zum 40. Mal, was für zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen Anlass bietet. Ambrose Bennett, der die katholische Gemeinde seit 2019 betreut und seit Februar monatlich eine Abendmesse in spanischer Sprache abhält, wird an vier Gedenkfeiern teilnehmen, u.a. in San Carlos, wo die britischen Soldaten angelandet waren und in Goose Green, dem „Gettysburg of the Falklands“. Die außergewöhnliche Pfarrstelle in Stanley verdankt Pater Bennett Abt Hugh Allan O.Praem.: er ist seit 2016 nicht nur Präfekt der Falklandinseln, sondern auch Superior der Mission sui juris St. Helenas, Ascensions und Tristan da Cunhas. Womit er die flächenmäßig größte Diözese der Erde betreut, die allerdings die wenigsten Kirchenmitglieder hat.

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