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Oberammergauer Passionsspiele verschoben

Die Oberammergauer Passionsspiele sind wegen der Corona-Pandemie auf 2022 verschoben.
„Jesus kommt später“
Foto: Veit-Mario Thiede | Steht vorerst ohne Passionsspiele da: Die Bronzeplastik vor dem Oberammergauer Passionstheater ist angeregt von Jesu Einzug in Jerusalem.

Obwohl Bayern Mitte Februar die ersten Corona-Fälle vermeldete, begannen in Oberammergau die Volksproben für die Passionsspiele. Spielleiter Christian Stückl feuerte die auf der Bühne des Passionstheaters versammelten Laienspieler-Massen an: „Stellt's euch vor, da Jesus kimmt! Da Jesus kimmt!“ Die Premiere der 42. Passionsspiele sollte am 16. Mai stattfinden. Inzwischen steht aber fest, Jesus „kimmt“ später als ursprünglich vorgesehen. Der Gemeinderat hat den Premierentermin auf den 21. Mai 2022 verlegt.

Diese Entscheidung ist dem Gemeinderat offensichtlich sehr schwer gefallen. Die Kapitulation vor der Corona-Pandemie erfolgte in kleinen Schritten. Am Montag, den 16. März, sagte er die Massenproben „vorerst“ ab, hielt aber an Einzelproben fest. Am nächsten Tag beschloss er die Aussetzung aller Proben bis Ende März, ging jedoch nach wie vor davon aus, dass die Premiere am 16. Mai stattfinden wird. Am Donnerstag aber hat das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen ein Machtwort gesprochen und dem Oberammergauer Gemeinderat die diesjährige Durchführung der Passionsspiele verboten. Denn das Risiko sei angesichts der erwarteten 450 000 Zuschauer aus aller Welt zu groß, dass neue Infektionsketten entstehen. Eine Seuche also hat die Oberammergauer Passionsspiele gestoppt. Und eine Seuche war es auch, auf die sie zurückgehen. Als im Ort die Pest wütete, legten die Oberammergauer 1633 das Gelübde ab, alle zehn Jahre die Passion Christi aufzuführen, falls sie fortan von der Seuche verschont bleiben. Im Jahr darauf führten sie die ersten Passionsspiele auf. Der Wechsel auf volle Zehnerjahre erfolgte 1680.

Unverwüstlich trotz vieler Widrigkeiten

Bereits in der Vergangenheit kam es zu Ausfällen oder Verlegungen der Spiele. Anno 1770 verbot der bayerische Kurfürst Maximilian III. alle Passionsspiele in seinem Herrschaftsgebiet. Er begründete das damit, dass „das größte Geheimnis unserer heiligen Religion nun einmal nicht auf die Schaubühne gehört“. Sein Nachfolger Karl Theodor hielt zwar am generellen Verbot der Aufführung frommer Spiele fest, machte jedoch eine Ausnahme: Den Oberammergauern gestand er das alleinige Privileg zu, Passionsspiele abzuhalten. Den nächsten Spielausfall gab es 1810. König Max und sein Minister Maximilian Freiherr von Montgelas verboten kirchliches Brauchtum wie Prozessionen, Ölbergandachten, Weihnachtskrippen und Passionsspiele. Im Jahr darauf hoben sie das Verbot wieder auf, sodass die Oberammergauer ihre 19. Passionsspiele durchführen konnten. Viola Schenz, die ein lesenswertes Buch über die Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele verfasst hat, vermutet, dass dies an der besonderen örtlichen Zuständigkeit lag. Üblicherweise unterstanden fromme Spiele den Pfarreien oder geistlichen Orden. Nicht so in Oberammergau: Zuständig für die Durchführung war und ist weiterhin der Gemeinderat.

Bis 1820 fanden die Spiele auf dem Friedhof der Pfarrkirche St. Peter und Paul statt. Diese Spielstätte hielt König Ludwig I. von Bayern für unpassend. Er genehmigte ihre Fortsetzung nur unter der Bedingung, dass die Bühne fortan nicht mehr auf dem Friedhof errichtet werden dürfe. In den letzten 150 Jahren dann machten Kriege den Passionsspielen zu schaffen. Im Juli 1870 verkündete der Prologsprecher auf der Passionsbühne, dass die Spiele wegen des Ausbruchs des Deutsch-Französischen Krieges ausgesetzt werden. Sie wurden im Jahr darauf weitergeführt. Die für 1920 vorgesehenen Aufführungen wurden wegen der nach dem Ersten Weltkrieg herrschenden Not auf 1922 verlegt. Wegen des Zweiten Weltkriegs fielen sie 1940 aus. Der Blick auf die Vergangenheit zeigt also, dass die Oberammergauer Passionsspiele trotz wiederholt aufgetretener Widrigkeiten unverwüstlich sind.

Lesetipp:

Viola Schenz: Die Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele.
Volk Verlag München, 29,90 Euro

www.passionsspiele-oberammergau.de

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