Der Streit um Karol Wojtyła geht in eine weitere Runde. Wie das polnische Onlineportal „onet“ berichtet, hat der Vorstandsvorsitzende des Tankstellenbetreibers Orlen, Daniel Obajtek (47), beschlossen, die jüngste Ausgabe des Wochenmagazins „NIE“ (deutsch: Nein) mit einem kontroversen Bild von Johannes Paul II. auf dem Cover aus den Orlen-Verkaufsstellen zu entfernen.
Keine Hassrede
Gezeigt wird auf dem Cover wie der Papst sich an einen Hirtenstab anlehnt, an dem nicht Christus, sondern eine Babypuppe gekreuzigt wird. Dazu schreibt Obajtek, dem eine große Nähe zur nationalkonservativen Regierungspartei PiS nachgesagt wird, auf „Twitter“: „Ich habe die Entscheidung getroffen, die neue Ausgabe von ,NIE‘, deren Titelseite alle Grenzen überschreitet, aus allen Orlen-Verkaufsstellen zurückzuziehen. Wir haben Platz für alle Pressetitel, aber es gibt keine Zustimmung für Hassreden und die Zerstörung der Autorität des Heiligen Johannes Paul II.“
Die Empörung über diesen Schritt ist groß – weniger bei patriotischen und Papsttreuen Katholiken, als bei liberalen Polen. Verständlicherweise. Mag man die Darstellung auch aus guten Gründen für geschmacklos halten und sich durch sie als in seinen religiösen Gefühlen verletzt empfinden, das Verbot des Verkaufs eines Presseorgans aus inhaltlichen Erwägungen ist eine Form von Sanktion, die im polnischen Pressegesetz laut Artikel 3 und 49 ausdrücklich untersagt ist. Weshalb sich viele polnische Internetnutzer nicht scheuen, Obajtek heftig zu attackieren. Zumal bereits die polnische Post in diesen Tagen laut „onet“ beschlossen hat, den Vertrieb der „NIE“-Ausgabe mit dem Papst-Titel einzustellen.
Keine Lösung
Eine Friedens-Lösung, die allen gerecht wird und im Einklang mit dem Gesetz steht, scheint es nicht zu geben. Doch einmal mehr zeigt sich, dass PiS und die der Partei nahestehenden Einrichtungen im Wahljahr 2023 gewillt sind, den polnischen Papst für ihre Zwecke zu instrumentalisieren – wie natürlich auch solche Parteien, die sich durch Kritik an ihm und der Kirche ein Profil zu geben versuchen.
Was Wojtyła, der Patriot und Weltbürger zugleich war und bei philosophischen und multireligiösen Treffen und zahlreichen Reisen in die Länder der Welt die Weite des Katholizismus vorlebte, dazu sagen würde? In Vatikan-Kreisen wird kolportiert, dass der Mann aus Wadowice, wenn er über kritische Medienberichte zu seiner Person informiert wurde, ganz gelassen reagierte. Als sei dies bei all dem Lob und der Verehrung, die ihm sonst zuteilwerde, ganz in Ordnung, wenn auch Negatives erscheine. Wer ist schon perfekt? Etwas mehr von dieser dialogischen Gelassenheit und pluralistischen Denkart kann man derzeit seinem Heimatland wünschen.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.