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Neuverfilmung „Im Westen Nichts Neues“: Schrecken des Krieges

Die Neuverfilmung Remarques „Im Westen Nichts Neues“ unterstreicht die deutsche Perspektive.
Filmszene aus  „Im Westen Nichts Neues“
Foto: Reiner Bajo | Die Sinnlosigkeit des Krieges in einem Gesichtsausdruck: Paul Bäumer (Felix Kammerer, links) und Katczinsky „Kat“ (Albrecht Schuch) kämpfen in den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs ums reine Überleben.

Erich Maria Remarque veröffentlichte 1928 einen Roman, der zu der klassischen Antikriegsliteratur gehört, auch wenn der Autor selbst ihn als „unpolitisch“ bezeichnete. Die aus der Sicht des Schülers Paul Bäumer, der sich von der Begeisterung für den Krieg ergreifen lässt, erzählte Geschichte wurde bereits 1930 in den Vereinigten Staaten verfilmt. Produziert wurde der 137 Minuten lange Film von Carl Laemmle, Regie führte Lewis Milestone. „All Quiet on the Western Front“ gewann zwei Oscars (Bester Film, Beste Regie), wurde in zwei weiteren Kategorien nominiert (Kamera, adaptiertes Drehbuch) und gilt als einer der 100 besten Filme der amerikanischen Filmgeschichte. Weniger bekannt ist die mit einem Golden Globe ausgezeichnete US-amerikanische-britische Fernsehadaption (1980) von Delbert Mann.

Nun hat der 1970 in Wolfsburg geborene Autor und Regisseur Edward Berger, dessen Film „Jack“ 2014 am Wettbewerb der Berlinale teilnahm und den „Deutschen Preis in Silber“ gewann, für den Online-Anbieter „Netflix“ den Remarque-Roman neu verfilmt. Der Film, der auf dem Toronto International Film Festival uraufgeführt wurde, startet am 29. September 2022 bundesweit in ausgewählten Kinos; ab 28. Oktober 2022 strahlt ihn auch Netflix weltweit aus.

„‚Im Westen Nichts Neues‘ zeigt schonungslos die schrecklichen Taten in einem Kampf,
der sich häufig Mann gegen Mann ausdrückt –
in der einen oder anderen Szene bebildert der Film Remarques Buch“

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Zu seinem Ansatz führt Edward Berger aus: „Amerikanische oder britische Kriegsfilme können in den allermeisten Fällen nicht anders, als eine positive Seite in ihren Erzählungen zu finden. Mir war es hingegen wichtig, die deutsche Perspektive einzunehmen, die es im modernen Kriegsfilm eigentlich überhaupt nicht mehr gibt, da uns dafür normalerweise der Mut und die Möglichkeiten fehlen. Unser Blick auf den Krieg ist geprägt von Gram und Scham, Trauer und Tod, Vernichtung und Schuld. Da bleibt nichts Positives, nichts Heldenhaftes zurück.“ Es könnte interessant sein, so Berger weiter, „diese Perspektive aus Deutschland heraus mit der Welt zu teilen“.

Sein Film nimmt sich einige Freiheiten gegenüber der Vorlage aus. So beginnt er mit einer Art Prolog: Nach einigen Bildern aus der scheinbar unberührten Natur – solche Bilder kehren immer wieder im Laufe des Films; sie erinnern gewissermaßen an die Filme von Terrence Malick – blickt die Kamera aus der Vogelperspektive auf ein von toten Soldaten übersätes Schlachtfeld. Eine Sequenz verdeutlicht den Weg einer Uniform samt Stiefeln vom Feld über Wäscherei und Ausbesserung bis hin zur Musterung neuer Rekruten. Die wiederverwendete Uniform erhält der 17-jährige Gymnasiast Paul Bäumer (Felix Kammerer), der die Unterschrift seines Vaters gefälscht hat, um sich mit seinen Klassenkameraden für den Krieg zu verpflichten. Die Jungs glauben, bald in Paris einzumarschieren.

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Ein Schulkamerad nach dem anderen wird Opfer der Kämpfe

Bald zeigt sich jedoch die Realität von ihrer grässlichen Seite: Im Frühjahr 1917 geht der Stellungskrieg an der Westfront in das dritte Jahr; in den Schützengräben herrscht nicht nur Angst, sondern vor allem Hunger. Bereits auf dem Weg dorthin bekommen Paul und seine Freunde einen Vorgeschmack, als jemand „Gas“ ruft. Es stellt sich zwar als falscher Alarm heraus, aber dessen Wirkung wird der Zuschauer später in einer anderen Szene sehen können. Die jungen Rekruten lernen die Veteranen Katczinsky „Kat“ (Albrecht Schuch) und Tjaden (Edin Hasanovic) kennen. Mit ihnen sind Paul und die immer weniger werdenden Überlebenden aus seiner Klasse anderthalb Jahre später immer noch in denselben Schützengräben – die Front hat sich kaum bewegt. Am 7. November 1918 kommt hingegen Bewegung in die Oberste Heeresleitung. Staatssekretär Matthias Erzberger (Daniel Brühl) versucht die Militärs zu überzeugen, einen Waffenstillstand auszuhandeln, und die Niederlage einzugestehen.

Am nächsten Tag fährt er zum vereinbarten Ort in Compiègne, um dort die Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen. Ganz zum Missfallen des Generals Friedrich (Devid Striesow), der das als Verrat am Vaterland empfindet, und bis zum letzten Mann weiterkämpfen will. Obwohl Erzberger dem Kabinett des Reichskanzlers Prinz Max von Baden angehört, ist es nicht ganz geklärt, ob er überhaupt befugt war, solche Verhandlungen mit dem französischen Marschall Ferdinand Foch zu führen. Diese Szenen, die nicht in Remarques Buch stehen, wollte Berger einführen, um „einen Kontrast zu den gnadenlosen Schlachten zu erschaffen“, sowie um „einen historischen Rahmen für unsere Erzählung zu finden, der die absolute Sinnlosigkeit des Kriegs mit Nachdruck unterstreicht“. Das Parallel-Schneiden der Szenen entfaltet besondere Wirkung.

Schonungslose Darstellungen der Schrecken des Krieges

„Im Westen Nichts Neues“ zeigt schonungslos die schrecklichen Taten in einem Kampf, der sich häufig Mann gegen Mann ausdrückt – in der einen oder anderen Szene bebildert der Film Remarques Buch. Sie werden von der wirkungsvoll eingesetzten Musik von Volker Bertelmann noch unterstützt.

Der Film wurde von German Films ausgewählt, um Deutschland bei den Oscars zu vertreten.


„Im Westen Nichts Neues“, Regie: Edward Berger, 147 Minuten. Ab dem 29. September 2022 bundesweit
in ausgewählten Kinos und ab 28. Oktober 2022 weltweit auf Netflix.

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