Aktuell läuft eine Kampagne gegen den Netflix-Film Maria in den sozialen Medien. Der Grund: Sowohl die Titelrolle der Maria wie auch die des Josef wird von jüdischen Schauspielern gespielt. Die beiden Israelis Noa Cohen und Ido Tako teilen sich die Leinwand mit der britischen Filmlegende Anthony Hopkins, der König Herodes spielt.
Kritiker werfen den Machern des Films vor, die „palästinensische Identität“ der Eltern Jesu zu ignorieren. Besonders empörend empfinden sie dies im Kontext der Offensive der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen, die nach der Tötung von 1.200 Menschen und der Verschleppung von 251 Geiseln durch Hamas-Terroristen begann.
Nutzer in sozialen Medien empören sich: "Diese widerliche Dreistigkeit"
„Es ist zutiefst beleidigend, eine israelische Schauspielerin Maria, die Mutter Jesu, spielen zu lassen, während Israel einen Völkermord an den Palästinensern begeht, einige der ältesten christlichen Gemeinden der Welt tötet und ihre Kulturdenkmäler zerstört“, heißt es in einem Post. „Netflix dachte, es wäre eine gute Idee, eine [Israeli] zu besetzen, um Mutter Maria so darzustellen, während sie die Heimat Jesu und alle Kirchen bombardieren“, kritisiert ein anderer Nutzer. Ein weiterer Kommentar ist noch schärfer: „Ein Film über eine palästinensische Frau, gespielt von Schauspielern aus dem Siedlerstaat, der derzeit Massenmorde an palästinensischen Frauen begeht. Oh, diese widerliche Dreistigkeit.“ Israel weist alle Völkermordvorwürfe entschieden zurück.
Aber: Stimmt es, dass Maria und Josef Palästinenser waren? Zur Begriffsverwirrung mag beispielsweise die Anrufung „Königin von Palästina“ beitragen: Der Ritterorden vom Heiligen Grab feiert am 25. Oktober das Fest „Unserer Lieben Frau, Königin von Palästina“, wie es im liturgischen Kalender des Lateinischen Patriarchates vermerkt ist. Maria wurde erstmals unter diesem Titel vom Patriarchen Luigi Barlassina (1920-1947) anlässlich seines feierlichen Einzugs in die Grabeskirche und der Weihe der Diözese an Maria am 15. Juli 1920 erwähnt.
In den Evangelien kommt der Name „Palästina“ jedoch nicht vor. Herodes wird als „König von Judäa“ bezeichnet (Lk 1,5). Bethlehem liegt auf „judäischem“ Territorium: „Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war“ (Lk 2,4). Pilatus ließ an das Kreuz die hebräische, griechische und lateinische Inschrift „I.N.R.I.“ anbringen – Jesus wird dort als „Rex Judaeorum“ (König der Juden) bezeichnet.
In römisch-biblischer Zeit war der Name "Palästina" nicht gebräuchlich
Das Land „zwischen dem Fluss und dem Meer“, das die Palästinenser heute beanspruchen, das westlich des Jordan gelegene Gebiet, war vor der Einwanderung der Israeliten als „Land Kanaan“ bekannt. Darüber hinaus bildeten die dort lebenden Völker keine politische Einheit – sie waren eher in unabhängig agierenden Stadtstaaten organisiert. Nach der Landnahme unter Josua wurde es das „Land Israels“ bezeichnet – ein Name, der auch im Neuen Testament gebräuchlich ist, obwohl es zu dieser Zeit eine Provinz des Römischen Reiches war.
Ob der Name "Palästina" von den „Philistern“ abgeleitet ist, wie Flavius Josephus schreibt, oder ob Herodot (gestorben um 425 v. Chr.) den Begriff verwendete – in römisch-biblischer Zeit, also auch zu Marias und Josefs Lebzeiten, war diese Bezeichnung nicht bekannt oder nicht gebräuchlich. Nach dem Tod Herodes’ „des Großen“ im Jahr 4 v. Chr. wurde sein Reich aufgeteilt. Zu Jesu Zeit war das Gebiet eine römische Provinz namens Judäa, verwaltet von einem Regierungsbeamten, darunter Pontius Pilatus.
Erst nach dem jüdischen Bar-Kochba-Aufstand 132–135 n. Chr. unter Hadrian, als das Volk der Philister bereits untergegangen war, benannte der Kaiser „Judäa“ in „Palästina“ (eigentlich „Syria Palästina“) um – als Zeichen seiner konsequenten antijüdischen Politik, um die Juden ins römische Reich zu assimilieren. Seit der römischen Ära hat der Name jedoch keine politische Bedeutung mehr. Eine historische Nation mit diesem Namen existiert nicht.
Geographischer Begriff ohne klare Grenzen
„Palästina“ wurde jahrhundertelang als geographischer Begriff ohne klare Grenzen verwendet. So wurde es auch als „Surya al-Janubiyya“ (Südsyrien) bezeichnet, weil es Teil des geografischen Syriens war, wie der palästinensische Gelehrte Muhammad Y. Muslih in „The Origins of Palestinian Nationalism“ erläutert. Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte das Gebiet zum Osmanischen Reich und war in mehrere Provinzen und Gouvernements unterteilt. Eine Verwaltungseinheit bildete es nie.
„Maria“-Regisseur D.J. Caruso äußerte sich zur Diskussion nicht direkt, zeigte sich jedoch pragmatisch, so gegenüber Entertainment Weekly: „Es war uns wichtig, dass Maria, wie auch der Großteil unserer Hauptdarsteller, aus Israel ausgewählt wurde, um Authentizität zu gewährleisten.“
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