Jahrelang befasste sich die Altphilologin Schwester Maura Zátonyi OSB mit Werken heidnischer Autoren wie Ovid und Catull – eigentlich nichts für fromme Nonnen, wie sie schmunzelnd sagt. Dann bekam sie den Auftrag, die Werke Hildegards von Bingen (1098–1171) zu erforschen. Sie promovierte über die Schrifthermeneutik bei Hildegard in Philosophie. 2012 nahm Benedikt XVI. die Nonne in das Verzeichnis der Heiligen auf und erhob sie zur Kirchenlehrerin. Heute wird in Eibingen die Hildegard-Akademie gegründet.
Die drei Säulen der neuen Hildegard-Akademie
Schwester Maura möchte die Bedeutung Hildegards für die Gesellschaft bekannt machen. Die Akademie wird aus drei Säulen bestehen: „Die Hildegardforschung, die Vermittlung der Forschungsergebnisse an ein breites Publikum und – das ist die dritte Säule – die Deutung für unsere heutige Zeit im Sinne einer europäischen Spiritualität. Hildegard ist eine Quelle der Inspiration. Daher haben wir Vertreter aus der Wissenschaft, aus der Kirche und der Politik und Wirtschaft gebeten, uns etwas ins Stammbuch zu schreiben. Die Resonanz hat mich überwältigt.“
Das christliche Bewusstsein wiedererlangen
Der Impuls zur Gründung der Akademie ging von Monsignore Michael H. Weninger aus, der im Päpstlichen Rat für interreligiösen Dialog im Vatikan arbeitet. Er hatte die Äbtissin überzeugt und auch von Anfang an die europäische Dimension mit in die Überlegungen eingebracht. Die Hildegard-Akademie will in die Gesellschaft hineinwirken, dazu die Vorsitzende: „Wir verlieren heute das christliche Bewusstsein – und dann kommt die Angst. Wenn wir Christen wissen, wo wir stehen und unsere Wurzeln sind, verliert sich die Angst und wir können aus der Geschichte Europas lernen.“
DT/ari (jobo)
Welche Gründe für eine Akademie im Unterschied zu einem Hildegard-Lehrstuhl an einer Universität sprechen und welche Buchprojekte im Zuge der Neugründung geplant sind, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 9. Mai 2019.