TRIKOTNUMMERN IN REGENBOGENFARBEN

Kampagne auf dem Rücken der Spieler

Ein Fußballer weigert sich, an einer Aktion „gegen Homophobie“ teilzunehmen – und verteidigt sein Recht auf freie Meinungsäußerung. Ein Gastkommentar von Jakob Cornides.
Regenbogenflagge im Fußball
Foto: Joe Giddens (PA Wire) | Mit der bei Fußballvereinen üblichen kommerziellen Trikotwerbung, bei der niemand eine persönliche Identifikation der Spieler mit den beworbenen Produkten und Dienstleistungen vermutet, kann man die Regenbogenflagge ...

Wie lange wird er wohl durchhalten, bis er einknickt? In verschiedenen Medienberichten war in den letzten Tagen zu lesen, dass Donatien Gomis, ein Abwehrspieler des französischen Zweitligisten EA Guingamp, sich geweigert habe, das Auswärtsspiel beim FC Sochaux zu bestreiten, weil „sein Verein an einer Kampagne gegen Homophobie teilnimmt“. Der Verein habe die Haltung des Senegalesen „zur Kenntnis“ genommen, der Präsident des Klubs werde in der kommenden Woche mit ihm „ein Gespräch führen“. Wer in dieser Ankündigung einen drohenden Unterton wahrnimmt, liegt wohl nicht ganz falsch.

Die Berichterstattung scheint – sei es mit Absicht oder nicht - ein wenig unpräzise. Tatsächlich hat der Spieler die Teilnahme an dem Spiel wohl nicht deswegen verweigert, weil sein Verein an der Kampagne teilnimmt, sondern weil er selber zur Mitwirkung an dieser Kampagne gezwungen werden sollte. Geplant war, dass alle Spieler in Trikots auflaufen sollten, auf denen die Rückennummern in Regenbogenfarben aufgedruckt waren, um dadurch ein Zeichen „gegen Homophobie“ zu setzen.

Legitime Standpunkte werden pathologisiert

„Homophobie“ ist ein politischer Kampagnenbegriff, der dazu dient, legitime Standpunkte zu pathologisieren, indem man sie in die Nähe einer „irrationalen Angst“ oder gar eines geradezu psychopathischen „Hasses“ zu rücken versucht. In einer um ernsthaften und rationalen Meinungsaustausch bemühten Debatte hat ein solches Vokabular nichts verloren; in einer Kampagne, der es vorgeblich um den Schutz der Menschenrechte gehen sollte, erst recht nicht. Bereits aus diesem Grund ist es gut nachvollziehbar, dass sich nicht jeder einer solchen Aktion anschließen möchte.

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Noch schlimmer ist aber, dass diese angebliche Menschenrechts- und Antidiskriminierungskampagne selbst in sehr schwerwiegender Weise die Menschenrechte verletzt, indem sie den Versuch unternimmt, alle Spieler sämtlicher französischen Erst- und Zweitligavereine zu einer öffentlichen Stellungnahme zu nötigen, obwohl viele von ihnen ganz anderer Meinung sind. 

Mit der bei Fußballvereinen üblichen kommerziellen Trikotwerbung, bei der niemand eine persönliche Identifikation der Spieler mit den beworbenen Produkten und Dienstleistungen vermutet, ist dies nicht vergleichbar. Man möchte beim Publikum den (ganz unzutreffenden) Eindruck erwecken, dass ausnahmslos alle Beteiligten die Ziele und Ausdrucksweise der Kampagne teilen und setzt darauf, dass der einzelne Spieler dem Gruppenzwang nachgibt. Sei es, weil er aus Solidarität mit den anderen Spielern seine Mannschaft bei einem entscheidenden Spiel nicht im Stich lassen will, sei es, weil er andernfalls negative Konsequenzen für seine Karriere befürchten muss. 

Eingriffe in die negative Meinungsfreiheit

Für solche abgenötigten Stellungnahmen gibt es im Jargon der Menschenrechtsexperten einen speziellen Begriff: Man bezeichnet sie als „compelled speech“, also als erzwungene Rede. Betroffen ist hier gewissermaßen der „negative Aspekt“ des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, also das Recht, nicht zur Äußerung einer Meinung gezwungen zu werden, die man gar nicht teilt. Im Vergleich zur Einschränkung des „positiven“ Aspekts der Meinungsfreiheit (also des Rechts, die eigene Meinung frei kundtun zu dürfen) stellen solche Eingriffe in die negative Meinungsfreiheit eine sehr viel schwerere Form der Menschenrechtsverletzung dar, weil durch sie die Freiheit niemals nur teilweise, sondern immer zur Gänze zunichtegemacht wird.

So scheint es beispielsweise ganz legitim, einem Fußballspieler die Nutzung der großen Bühne des Fußballstadions zur Bewerbung eines bestimmten politischen Standpunktes (etwa einer bestimmten Religion, einer politischen Partei, oder auch eines ganz ehrenwerten Anliegens wie dem Kampf gegen Rassismus) zu verbieten, weil er solche Standpunkte ja auch außerhalb des Stadions vertreten könnte; sein Recht auf freie Meinungsäußerung wird damit nur eingeschränkt, aber nicht gänzlich in Frage gestellt. Wenn man ihn dagegen zu zwingen versucht, auf ebendieser Bühne für einen Standpunkt zu werben, den er ablehnt, wird sein Grundrecht mit Füßen getreten.

Mit der mutigen Weigerung, an der „Kampagne gegen Homophobie“ teilzunehmen, haben Donatien Gomis und die anderen Spieler, die sich in der Folge mit ihm solidarisierten, die Kampagne entlarvt: sie beruht auf Druck und Nötigung, nicht auf frei zum Ausdruck gebrachter Überzeugung, und statt Menschenrechte zu schützen, verletzt sie diese.

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