Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Tagesposting

Die Idee der Repräsentation

Der Papst und die englische Monarchie sind ein Stachel im Fleisch der Moderne: Beide sind wohl die letzten Institutionen, die die Idee der Repräsentation repräsentieren.
Queen Elizabeth II. und Papst Johannes Paul II.
Foto: IMAGO/Mimmo Chianura (www.imago-images.de) | Der Papst und der englische König sind Stachel im Fleisch der Moderne, die sich – nach einer guten Formulierung von Leo Strauss – auf eine metaphysische Niedrigbauweise eingestellt hat.

Bei den Berichten über die englischen Krönungsfeierlichkeiten haben die Medien immer wieder darauf hingewiesen, dass es neben den begeisterten Royalisten auch zahlreiche Gegner der Monarchie gegeben hat, die lautstark gegen den Anachronismus einer Krönung und die damit einhergehende Geldverschwendung protestiert haben. Das Argument der Kosten ist natürlich nur ein Vorwand, aber es führt auf die richtige Spur.

Was die modernen Spießer am englischen Königshaus genauso wie am Vatikan stört, ist deren Gegensatz zum ökonomisch-technischen Denken. Wie der Papst verkörpert auch der englische König die Tradition als Wert. Gegen die ökonomische Rationalität des Kapitalismus und die technische Rationalität der Industriegesellschaft betonen Vatikan und Königshaus das Formale, Institutionelle mit seiner eigenen Rationalität. Wie viel Selbstdisziplin dabei vorausgesetzt wird, kann man sich an der sehr guten TV-Serie „The Crown“ deutlich machen – während die Boulevardpresse ständig von denen berichtet, die diese Selbstdisziplin nicht ertragen können: von Diana bis Harry.

Es geht um persönliche Repräsentation, um imponierende Autorität

Der Staatsrechtler Carl Schmitt hat schon vor hundert Jahren den „anti-römischen Affekt“ der aufgeklärten Moderne analysiert. Martin Mosebach hat diese Diagnose noch erweitert und spricht von einem „antirituellen Affekt“. Tatsächlich beobachten wir in der westlichen Welt überall bilderstürmerische Aktionen gegen das Rituelle, die große Form und die sichtbaren Institutionen. Der Zeitgeist forciert diese Formlosigkeit so sehr, dass schon die einfachsten Formen von Takt und Höflichkeit anachronistisch wirken.

Das Formale ist aber das Wesentliche. Im Blick auf die katholische Kirche hat Carl Schmitt gesagt: „wer in ihr nur äußere Form sieht, muss mit epigrammatischem Spott sagen, sie repräsentiere überhaupt nur noch die Repräsentation.“ Hinter diesem Spott steht aber ein tiefer Ernst. Denn gleichgültig wie man zur Monarchie oder zur Kirche steht – das englische Königshaus und der Vatikan sind wohl die letzten Institutionen, die die Idee der Repräsentation repräsentieren. Dabei geht es um persönliche Repräsentation, um imponierende Autorität und Würde. Das gilt gerade auch dann, wenn man es mit Persönlichkeiten zu tun hat, denen Charisma abgeht – wie das bei Charles und Franziskus ja wohl der Fall ist. Als Papst und König stellen sie das Gegenteil von Privatleuten dar. Sie verkörpern die Antithese zum anonymen Betrieb der modernen Gesellschaft.

Lesen Sie auch:

So erklärt sich jener antirituelle Affekt. Der Papst und der englische König sind Stachel im Fleisch der Moderne, die sich – nach einer guten Formulierung von Leo Strauss – auf eine metaphysische Niedrigbauweise eingestellt hat. Nichts ist ihr fremder und lästiger als eine über sie hinausweisende Idee. Und auch wenn vielleicht niemand mehr genau sagen kann, für welche Ideen der Vatikan und das englische Königshaus stehen, so repräsentieren sie eben doch die Idee der Repräsentation. Was sie damit letztlich festhalten, ist für die Gläubigen die Idee der Transzendenz – und gegen die Ungläubigen immerhin die Transzendenz der Idee.

 

Der Autor ist Philosoph und Medienexperte.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Norbert Bolz Carl Schmitt Martin Mosebach Norbert Bolz Päpste

Weitere Artikel

Gegen das Gesetz, immer extrem, niemals konsequent, immer radikal, niemals konsistent – das war der Stil Jacob Taubes: In diesem Jahr würde er 100 Jahre alt werden.
14.01.2023, 05 Uhr
Norbert Bolz
Das Verhältnis von Benedikt XVI. zu den Künstlern war ein ganz besonderes.
10.01.2023, 11 Uhr
Stefan Meetschen Alexander Riebel

Kirche

In der 64. Folge des Katechismuspodcast geht es mit dem Theologen Andreas Wollbold um die Beziehung der Geschöpfe untereinander.
10.06.2023, 14 Uhr
Meldung
In der 63. Folge des Katechismuspodcasts spricht Theologe Andreas Wollbold über das richtige Verhältnis von Mensch und Schöpfung.
09.06.2023, 14 Uhr
Meldung
In der Schöpfungsgeschichte spiegele sich die Kunstfertigkeit Gottes wider, so Theologe Andreas Wollbold in der 62. Folge des Katechismuspodcasts.
08.06.2023, 14 Uhr
Meldung
Jacques Barthieu starb auf Madagaskar den Martyrertod bei einem Angriff von Rebellen.
08.06.2023, 07 Uhr
Claudia Kock
Wenn der Umgang mit Erzbischof Gänswein zum Stil vatikanischer Personalpolitik wird, sollten Kleriker in Zukunft Rom als Arbeitsplatz meiden.
09.06.2023, 11 Uhr
Guido Horst