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Zu den Wurzeln von Loulé

Der dritte Tag in Portugal bringt soziale Projekte, viel Kultur - und die ersten Anzeichen körperlicher Erschöpfung. Ein Weltjugendtags-Tagebuch.
Marienbild
Foto: Durney | Die Marienverehrung ist in in Loulé allgegenwärtig.

Feiern, tanzen, singen, beten und Stunden, in denen ein fremdes Gesicht das nächste jagt: Das gehört zum Weltjugendtag dazu. Aber es gibt auch die Phasen dazwischen, wenn der Körper nicht mehr so richtig mitkommt. Gestern um zwei Uhr morgen trugen zwei Mädchen ein drittes in den Schlafcontainer. Ihr Knöchel ist auf die Größe eines Hühnereis angeschwollen – sie ist umgeknickt. Die Malteser, die unsere Gruppe begleiten, meinen, es könnte ein Bänderriss sein. Das heißt, Verband, Kältekompresse und am nächsten Morgen ein Besuch im Krankenhaus von Loulé.

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Dort trifft unsere verletzte Mitfahrerin noch mehr Pilger. Ein Slowake läuft seit drei Tagen auch mit geschwollenem Fuß durch die Algarve, ein zweiter hat keine Stimme mehr. Dabei ist erst Tag drei. Und offiziell geht der Weltjugendtag ernst nächsten Montag los.

Weit reicht die Geschichte der Stadt zurück

Während sich die versehrten Pilger versorgen lassen, wird der Rest ausgesendet. Heute geht es um soziale und um Umweltprojekte. Eine Gruppe Deutscher geht auf einen Pferdehof. Die Mädchen reißen sich um dieses Los, wo sie dann Pferdeboxen säubern, getrockneten Mist auskratzen und Spinnweben von der Decke fegen. Nach dieser herkuleischen Aufgabe dürfen sie dann doch ein bisschen reiten. Eine zweite Gruppe verziert die Wand an einem Kindergarten, eine dritte hilft bei der Betreuung von Kindern, die in einem Camp von Sinti und Roma nahe der Stadt leben, mit.

Wallfahrtskappelle in Loulé
Foto: Durney | Blau bemalte Kacheln, die ein Bild der Muttergottes umrahmen, in einer kleinen Wallfahrtskappelle.

Am Nachmittag finden sich außer der verletzten Pilgerin noch viele andere aus der Gruppe ein, um sich zu erholen. Sechs Variationen von Schafkopf können sie mittlerweile schon, erzählen sie. Dieser Nachmittag ist eine gute Gelegenheit, um die Altstadt von Loulé zu erkunden. Weit reicht die Geschichte der Stadt zurück. Im ehemaligen Badehaus, erbaut um 9. Jahrhundert, als hier Muslime lebten und die Stadt noch Al-Ulya hieß. Ein kleines Museum lässt dort durch einen Glasboden den Blick auf die Fundamente des Badehauses frei. Man sieht den Hitze- und den Kälteraum, dazwischen den lauwarmen. In der frühen Neuzeit baute eine reiche portugiesische Familie, die dem spanischen Königshaus nahestand, auf diesem Fundament eine Villa. Gürtelschnallen, Spielsteine und Geschirr, das aus China importiert worden war, sind in dieser „Casa Senhorial“ der „familia Barreto“ zu finden. 

Eindrücke, so intensiv wie die Sonne der Algarve

Aber Loulé hat Wurzeln, die noch weiter zurückgehen. Schon im späteren paläolithischen Zeitalter haben Menschen in der Region gelebt. In den Gewölben des Kastells von Loulé sind auch Fundstücke aus dieser Zeit ausgestellt: Spindeln und einfache Krüge. Die Museen zu besuchen, kostet mich insgesamt nur 1,62 Euro. Und die Kassierer weisen mich stets darauf hin, welche Museen es noch gibt. Tourismus, gerade kultureller, scheint hier ein zentrales Anliegen zu sein. 

Neben den Weltjugendtagspilgern treffen sich dieses Wochenende auch noch Jazz-Enthusiasten in der Altstadt von Loulé. Im Innenhof des Schlosses finden jeden Abend Konzerte statt. Fast direkt gegenüber ist ein unscheinbares Tor. Es führt in eine grottenartige, kleine Wallfahrtskapelle mit explosiven Gold-Ornamenten und blau bemalten Kacheln, die ein Bild der Muttergottes umrahmen. Nossa Senhora da Conceição – unsere liebe Frau der Empfängnis. Wie überall in Loulé ist jemand angestellt, der Fragen beantwortet und Postkarten verkauft. Trotzdem ist es ein stiller Ort. Schattig, ein Fluchtort vor den Sonnenstrahlen, die genauso intensiv wie die Eindrücke dieser Tage der Begegnung vor dem Weltjugendtag auf uns einströmen.


Begleiten Sie unsere Autorin Sally-Jo Durney in den nächsten Tagen bei den Tagen der Begegnung und dem Weltjugendtag in Lissabon. Alle Tagebuch-Einträge finden Sie hier

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