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Späte Genugtuung für Sri Lankas Kirche

Mit heldenhafter Hartnäckigkeit hat Colombos Kardinal die Aufklärung der Oster-Anschläge vorangetrieben und die politische Klasse besiegt.
Catholic Archbishop Malcolm Ranjith speaks during a press conference in Colombo Catholic Archbishop Malcolm Ranjith spea
Foto: IMAGO/Saman Abesiriwardana (www.imago-images.de) | Catholic Archbishop Malcolm Ranjith speaks during a press conference in Colombo Catholic Archbishop Malcolm Ranjith speaks during a press conference in Colombo on January 13, 2023.

Islamistische Terroranschläge rissen am Ostersonntag 2019 auf der Trauminsel Sri Lanka 270 Menschen in den Tod: Touristen in ihren Luxushotels in Colombo, vor allem aber fromme Katholiken in Colombo und Negombo, die gerade die Ostermesse besuchten. Der Kardinal von Colombo, Albert Malcolm Ranjith, vollbrachte damals drei Heldentaten: Mit seiner persönlichen Autorität verhinderte er Racheakte und untersagte seinen Gläubigen jegliche Gewalt; mit einem erstaunlichen Organisationstalent managte er die soziale, psychologische und seelsorgliche Unterstützung der Hinterbliebenen der Terroropfer; mit heldenhaftem Mut kritisierte er die Regierung und warf ihr vor, alle konkreten Warnungen ignoriert zu haben.

Der Kardinal steigerte das Ansehen der Minderheit

Nichts davon war selbstverständlich, denn die Katholiken stellen auf der buddhistisch dominierten Insel gerade einmal sieben Prozent der Einwohner. Durch das Agieren ihres Kardinals jedoch wuchs das Ansehen dieser fragilen Minderheit: Die Buddhisten bewunderten die Gewaltlosigkeit der Katholiken, das Interesse an der Verkündigung des Kardinals stieg landesweit und die sonst durchaus rustikal agierende Regierung wirkte angesichts der immer wieder – und immer lauter – vorgetragenen Anklagen des Kardinals regelrecht eingeschüchtert.
Der Präsident entschuldigt sich bei den Katholiken

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Dabei hatte Ranjith allen Anlass zur Anklage: Der indische Geheimdienst hatte srilankesische Regierungsstellen frühzeitig und präzise vor den Anschlägen gewarnt. Das hat vor wenigen Tagen nun der Oberste Gerichtshof Sri Lankas bestätigt. Er gab nicht nur der Insistenz des Kardinals nach und seiner These Recht, sondern verurteilte den damaligen Präsidenten Maithripala Sirisena und hochrangige Beamte wegen Untätigkeit.
Mehr noch: Der einst so mächtige Präsident Sirisena hat sich nun bei den Katholiken Sri Lankas entschuldigt. In einer Pressekonferenz am Dienstag meinte er zwar, er sei nicht persönlich verantwortlich, denn immerhin will er 2024 neuerlich für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren. Er räumte jedoch eine politische Verantwortung für die staatliche Untätigkeit und das Behördenversagen ein.

Nach den blutigen Osteranschlägen von 2019 hat die kleine katholische Minderheitenkirche auf Sri Lanka bewiesen, wozu eine politisch ohnmächtige, entweltlichte, jedoch fromme, tapfere und der Wahrheit verpflichtete Kirche fähig ist. Dank ihrer konsequenten, mutigen Beharrlichkeit wurden auf Sri Lanka die Mächtigen von ihren Thronen gestürzt und die Niedrigen erhöht.

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Stephan Baier Buddhisten Kardinäle Katholikinnen und Katholiken Malcolm Ranjith Terroropfer

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