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Mit Weitblick und feinem Humor

Der Münsteraner Kirchenhistoriker Arnold Angenendt ist verstorben. Seine Lehre ging im besten Sinne vom Leben aus. Er war ein inspirierender und zu immer neuen Entdeckungsreisen in die Geschichte der Kirche verlockender Lehrer.
Arnold Angenendt
Foto: Cristian Gennari (Romano Siciliani) | Arnold Angenendt regte zum Dialog an und vermittelte die Geschichte so lebendig, dass seine Vorträge Zeitreisecharakter hatten.

Theologie ist eine ernste Angelegenheit. Schließlich geht es bei der Lehre von Gott um die ersten und letzten Dinge. Aber das war für Arnold Angenendt kein Grund, sich den vielen Themen, die er im Laufe seines Theologenlebens bearbeitete, nicht mit Humor und jenem weiten Blick zu nähern, die so typisch für den Kirchengeschichtler waren, der am Fest des heiligen Dominikus, dem 8. August 2021, vier Tage vor seinem 87. Geburtstag, gestorben ist.

Begnadeter und begeisternder Lehrer

Ein zeichenhaftes Datum. Denn Dominikus zeichnete das Streben nach verständlicher, nach für Herz und Verstand eingängiger Verkündigung aus, genau jene Eigenschaft, die Arnold Angenendt zu einem so begnadeten und begeisternden Lehrer machten. Wer bei ihm studierte, verabschiedete sich für jede Vorlesung neu von der Langeweile, die in seinen stets gut besuchten Veranstaltungen keinen Platz hatte. Angenendt war im besten Sinne des Wortes unterhaltsam. Er regte zum Dialog an und vermittelte die Geschichte so lebendig, dass seine Vorträge Zeitreisecharakter hatten.

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Dass ihm dies immer wieder neu gelang hatte seine Wurzeln in einer geistigen Weite, die gedankliche Engführungen grundsätzlich ausschloss. Der mentalitäts- und sozialgeschichtliche Ansatz, den er vertrat und mit großem Erfolg im Bereich der deutschen Kirchengeschichtsschreibung integrierte, erweist sich bis heute als wegweisend. Seine „Geschichte der Religiosität im Mittelalter“ (1997) und seine Darstellung des Frühmittelalters, die diese damals innovative und keineswegs kritiklos akzeptierte Weitung des Blickes erfolgreich vertreten wurden zu Standardwerken.

In seinen Seminaren war Angenendt in gleichem Maße fordernd und fördernd. Studenten, die in Theologensprech verfallend Worthülsen zu stapeln begannen, unterbrach er schnell mit den Worten: „Ich will nicht wissen, was Sie gelesen, sondern, was Sie verstanden haben. Sagen Sie es in einem Satz.“ Seinem Anspruch wurde er stets selbst gerecht. Uns Studenten pflegte er zu sagen, dass er ein Manuskript erst dann zum Druck freigebe, wenn der Küster seiner Heimatgemeinde den Inhalt verstehen könne. Seine Lehre ging im besten Sinne vom Leben aus. Er war ein inspirierender, begeisternder zu immer neuen Entdeckungsreisen in die Geschichte der Kirche verlockender Lehrer.

Gastprofessuren in Princeton und Paris

Geboren wurde Angenendt am 12. August 1934 in Goch am Niederrhein. Das Abitur legte er am Collegium Augustinum Gaesdonck ab und studierte in Münster katholische Theologie und Geschichte. Nach der Priesterweihe im Jahr 1963 war er zunächst Kaplan in Vreden und ging dann zum  Weiterstudium nach Bonn, Rom, und Paris. Nach der Promotion 1971 und der Habilitation 1975 lehrte er ein Jahr am Pontifical Institute of Toronto, bevor er 1976 an die Ruhr Universität Bochum wechselte. 1981 erfolgte die Berufung auf den Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft an der Westfälischen Wilhelmsuniversität, den er zwei Jahre innehatte, bevor er seinem Lehrer Erwin Iserloh auf den Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte nachfolgte.

Bis zu seiner Emeritierung 1999 wirkte Angenendt Schule bildend und wegweisend – nicht nur in Münster, sondern auch in Gastprofessuren in Princeton oder an der École des Hautes Étude en Sciences Sociales in Paris. Wie sehr Arnold Angenendt über den engen Bereich der Fachtheologie hinaus geschätzt wurde zeigt die Einladung, als erster Geistlicher überhaupt vor der Russischen Akademie der Wissenschaften zu sprechen.

Auch nach seiner Emeritierung arbeitete Angenendt unermüdlich weiter. 2001 erschien seine Studie „Liturgik und Historik“ als Band 189 der Quaestiones disputatae. In ihr widmete er sich hellsichtig, wie es seine Art war, der Frage, ob es eine organische Liturgie-Entwicklung gab. Die Heiligen wurden immer mehr Thema seines Forschens, sei es in seiner Monografie über den Münsteraner Bistumsgründer Liudger oder in seinem 2010 erschienen Buch „Die Gegenwart von Heiligen und Reliquien“. Ihnen kann Arnold Angenendt nun von Angesicht zu Angesicht begegnen und endlich all jene Fragen klären, die im Laufe seines reichen Forscherlebens offen geblieben sein mögen.

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Barbara Stühlmeyer Kirchengeschichte Kirchenhistoriker Priesterweihen Ruhr-Universität

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