In der Debatte um Reparationsforderungen der polnischen Regierung an Berlin hat der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz die deutschen Bischöfe auf subtile Art und Weise in Verlegenheit gebracht. Dass Erzbischof Stanislaw Gadecki den Vorstoß der Regierung befürwortet, dass "staatlichen Institutionen über die praktischen Formen der Wiederherstellung des Rechts entscheiden", überrascht nicht.
Geschickte Formulierung
Als Pole und Repräsentant der katholischen Kirche, die auch in Polen infolge des Missbrauchsskandals inzwischen mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen hat, kann sich der Vorsitzende nicht anders äußern, ohne der Institution Kirche erheblichen Gegenwind einzuhandeln. Dass zwischen Vergebung und Gerechtigkeit kein Widerspruch besteht, ist eine geschickte Formulierung, der kein deutscher Bischof widersprechen wird.
Doch Erzbischof Gadeckis Wortmeldung kommt zu einem Zeitpunkt, da das Verhältnis der deutschen und polnischen Bischöfe aufgrund unvereinbarer Vorstellungen über die Reform der Kirche im Allgemeinen und den Synodalen Prozess im Besonderem auf einem historischen Tiefpunkt angekommen ist. Und anders als in den sechziger Jahren, als die Bischöfe beider Länder in symbolpolitisch aufsehenerregenden Gesten aufeinander zugingen und Versöhnungsarbeit leisteten, haben sich die Gewichte inzwischen erheblich zugunsten der polnischen Brüder und Schwestern verschoben.
Ärmer ohne Polen
Auch wenn die Kirche in Polen nach wie vor Finanzhilfen aus deutschen Töpfen nicht verschmäht, zeichnet sich ab, dass die Zeit des Reichtums deutsche Bistümer zu Ende geht. Die deutschen Bistümer hingegen sind auf die polnischen Gläubigen mehr denn je angewiesen. Der ausgezehrte deutsche Katholizismus wäre ohne die Einsatzfreude der polnischen Katholiken wesentlich ärmer. Die deutschen Bischöfe, denen an einer stärkeren Präsenz der Kirche in der Welt gelegen ist, muss sich nun zu Gadeckis Stellungnahme verhalten und zeigen, dass die Kirche in gesellschaftlichen Debatten ein Wort mitzureden hat. Bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda haben die Hirten nun eine Nuss zu knacken.
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