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Nathalie Becquart: „Die Frage des Frauendiakonats ist offen“

Ein Gespräch mit Schwester Nathalie Becquart, Untersekretärin des Synodensekretariats, über Frauenämter, Mission und die Weltsynode.
Schwester Nathalie Becquart ist seit 2021 Untersekretärin der Bischofssynode.
Foto: Alessia Giuliani/CPP / IPA via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Schwester Nathalie Becquart ist seit 2021 Untersekretärin der Bischofssynode.

Die französische Ordensschwester Nathalie Becquart (Jahrgang 1969) ist als Untersekretärin des römischen Synodensekretariats die erste Frau mit Stimmrecht bei der Bischofssynode. Als frühere Verantwortliche der Französischen Bischofskonferenz für Jugend- und Berufungspastoral nahm sie bereits als Beobachterin an der Jugendsynode 2018 teil.

Papst Franziskus hat vor Kurzem mehrere Themen aus der Synode ausgekoppelt und sie Studiengruppen anvertraut. Das hat zumindest in Deutschland für Unverständnis gesorgt. Wie ist dieser Schritt des Heiligen Vaters zu erklären?

Während der ersten Sitzung der Synode konnte man eine große Bandbreite an Themen ansprechen, aber in der zweiten Sitzung wird man sich auf die zentrale Achse der Synode konzentrieren müssen. Diese lautet: „Wie können wir eine synodale und missionarische Kirche sein?“ Das ist in erster Linie eine Frage der Zeit, denn die vier Wochen der Synode reichen nicht aus, um alle in der ersten Sitzung genannten Themen gründlich zu behandeln.

Andererseits werden die anderen Themen nicht einfach fallen gelassen: Papst Franziskus hat sie daher Arbeitsgruppen anvertraut, deren Koordination in den Händen des Generalsekretariats der Synode liegt, und darum gebeten, dass sie auf synodale Weise bearbeitet werden, nicht nur in Zusammenarbeit mit den betroffenen Dikasterien, sondern auch mit Experten aus verschiedenen Kontinenten. 

Wie gehören Synodalität und Mission zusammen?

Synodalität ist im Verständnis der Weltsynode immer eine missionarische Synodalität. Alle anderen Fragen – wie man das Amt ausübt, welche Rolle die Frauen in der Kirche spielen – müssen im Hinblick auf die Mission beantwortet werden. Die Kirche ist von Natur aus missionarisch. Wir haben insbesondere auf der Jugendsynode verstanden, dass Glaubensverkündigung heute bedeutet, eine synodale Kirche zu sein. Die Kirche hat ihren Zweck nicht in sich selbst. Wenn wir die Kirche Jesu Christi sein wollen, die seit dem Ursprung dieselbe ist, aber im heutigen Kontext, eine Kirche, die weiterhin das Evangelium verkündet und den Glauben weitergibt, dann geht das nur über die Synodalität. Diese Mission muss von allen Getauften getragen werden. Um dann heiklere Themen zu behandeln, muss man erst einmal lernen, synodal zu arbeiten. 

Sehen Sie da nicht ein unterschiedliches Verständnis der Synodalität zwischen der Universalsynode und dem deutschen Synodalen Weg?

Zunächst einmal gibt es nicht die Synodalität an sich, sondern sie wird immer in bestimmten kulturellen Kontexten gelebt, entwickelt und umgesetzt. Der Ausgangspunkt des Synodalen Wegs ist die Frage des sexuellen Missbrauchs, während die Synode über die Synodalität eine missionarische Perspektive hat: Wie kann man das Evangelium heute verkünden? Ich will kein Urteil über den deutschen Synodalen Weg abgeben, aber ich habe in der Tat gehört, dass einige bedauern, dass dort die missionarische Perspektive zu kurz kam.

Was bedeutet Synodalität, wie sie in der Weltsynode gelebt wird?

Es bedeutet, gemeinsam zu gehen und dabei auf den Heiligen Geist zu hören. Der synodale Prozess ist die Suche nach der Wahrheit und die Unterscheidung durch den Heiligen Geist. Der Weg ist nicht von vornherein festgelegt. Das verlangt von jedem, wirklich offen zu bleiben und nicht im Voraus festzulegen, wo dieser Weg enden soll, bereit zu sein, sich durch das Zuhören anderer verändern zu lassen. Papst Franziskus erinnert uns oft daran: Synodalität ist nicht eine Mehrheit, die versucht, einer Minderheit etwas aufzuzwingen. Es ist ein Streben nach Einstimmigkeit. Beim Zweiten Vatikanischen Konzil wurden die Texte fast einstimmig verabschiedet. Auf den Synoden ist es genauso. Man braucht viel Zeit, um einen Konsens zu finden. Die Abstimmungen gehen meistens mit fast 99 Prozent aus, außer in Ausnahmefällen. Die Abstimmung ist sozusagen ein Instrument, um den Konsens anzuerkennen, den der Heilige Geist uns hat entdecken lassen. 

Wie blicken Sie im Synodensekretariat auf die deutsche Kirche nach dem Synodalen Weg? 

Man kann eine Ortskirche nicht wirklich verstehen, wenn man nicht ein Mindestmaß an Verständnis für ihre Kultur, ihren Kontext und ihre Gesellschaft hat. Jede Ortskirche muss eine Arbeit der Inkulturation in ihren eigenen Kontext leisten. Aber diese Inkulturation muss in einem Dialog mit der Universalkirche, mit Rom erfolgen, denn die Kirche ist eine. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt, dass es zwischen der Universalkirche und den Ortskirchen eine Beziehung gegenseitiger Innerlichkeit gibt. Ebenso kann ein Bischof nicht allein existieren, eine Diözese kann nicht allein Diözese sein.

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Das gilt auch für die Kirche in Deutschland. Sie hat vielleicht etwas zu geben, aber sie hat auch etwas von anderen zu empfangen. Für eine Kirche, die stark, mächtig und reich war und auf eine große theologische Tradition zurückblickt, kann das hart sein. Es ist nicht leicht, sich auf eine Minderheit reduziert zu sehen. Aber in den meisten asiatischen Ländern war die Kirche schon immer eine sehr kleine Minderheit in einem nicht christlichen Land. Und damit kommt sie klar. Davon können die Kirchen in den säkularisierten Ländern etwas lernen. Auch das ist Synodalität.

Im Fall der deutschen Synode wäre es außerdem interessant, sich wirklich die Zeit zu nehmen, die Erfahrung noch einmal zu lesen: Was war gut? Was sollte man korrigieren? Auf jeden Fall ist es für uns wichtig, dass dieser Dialog zwischen den deutschen Bischöfen und dem Vatikan fortgesetzt und vertieft wird.

Die Frage des Diakonats der Frau gehört zu den Themen, die einer Studienkommission anvertraut wurden. Warum eine x-te Kommission, wo sich doch bereits mehrere Kommissionen mit dem Thema befasst haben?

Das Thema des Frauendiakonats ist heute nicht konsensfähig. Auch die vorherige Kommission hat keinen wirklichen Konsens erzielt. Der Synodenbericht enthält eine gemeinsame Forderung nach einer stärkeren Betonung des Beitrags von Frauen und einer Ausweitung der pastoralen Verantwortung, die ihnen übertragen wird. Wie das nun konkret aussehen kann, ob es durch das Diakonat der Frauen geschieht oder nicht, darüber gibt es derzeit keine Einigkeit. Im Übrigen müsste man sehen, ob es in Deutschland dazu wirklich einen Konsens unter allen Getauften gibt – ich weiß es nicht. Auf globaler Ebene ist dies jedenfalls nicht der Fall.

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In der Frage stehen übrigens nicht die Bischöfe auf der einen und die Frauen auf der anderen Seite, sondern es gibt unterschiedliche Positionen sowohl unter den Bischöfen als auch unter den Frauen. Die Rolle des Papstes ist es seinerseits, der Diener der Einheit zu sein. Ich kann natürlich nicht für Papst Franziskus sprechen, aber ich denke, dass er im Moment mit Berücksichtigung dieser Einheit keine Entscheidung treffen kann oder will. Also hat er diese Kommission beauftragt, das Thema zu vertiefen. 

Aber Papst Franziskus hat doch auch in der Frage der Frauenordination eine Entscheidung getroffen (oder an das erinnert, was Papst Johannes Paul II. gesagt hat), obwohl es auch hier keinen Konsens gibt.

In der Synode wurde über das Diakonat der Frauen diskutiert, nicht über die Priesterweihe. Zwar wurde in einigen Konsultationen auch die Forderung nach der Priesterweihe geäußert. Aber auf jeden Fall ist für Papst Franziskus die Frage des Diakonats offen, nicht aber die Frage des Priestertums.

Was denken Sie persönlich? Wird es in einigen Jahren Diakoninnen geben?

Meine Rolle ist es, einen Prozess zu unterstützen. Meine persönliche Meinung ist nicht interessant. Ich glaube, dass die größte Herausforderung in der Frage der Frauen in der Kirche der Zugang von Frauen zu Führungspositionen ist. Papst Franziskus geht derzeit einen anderen Weg – und ich bin in gewisser Weise ein Ergebnis davon –, nämlich manche Leitungspositionen von der Priesterweihe abzukoppeln. Dies tut er in der römischen Kurie, indem er Laien oder Frauen für Aufgaben ernennt, die bislang geweihten Priestern vorbehalten waren. 

Ein Beispiel auch aus Frankreich: Vor fünf Jahren hat ein Bischof zum ersten Mal neben seinem Generalvikar, also einem Priester, eine Frau zur Generaldelegierten ernannt. Der Bischof leitet sein Bistum dort also nicht nur mit seinem Generalvikar, sondern auch mit dieser Generaldelegierten. Heute gibt es in Frankreich 15 Bischöfe, die diesem Modell folgen, das die Leitung verändert, ohne das Amt des Bischofs zu verändern.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat vor einigen Tagen in einem Interview gesagt, dass er vor dem Ende seiner Amtszeit eine Frau zur Diakonin weihen werde. Wie nehmen Sie solche Versprechungen auf? 

Ich erlaube mir nicht, dies zu kommentieren. Was mir jedoch wichtig scheint, ist, dass die Synodalität auch eine Frage der Dezentralisierung ist, die Papst Franziskus sehr am Herzen liegt. Die Synode macht uns bewusst, dass die katholische Kirche bereits sehr vielfältig ist, viel mehr als man sich vorstellen kann. Das Zweite Vatikanische Konzil hat zum Beispiel den ständigen Diakonat für Männer wieder eingeführt, wobei es den Bischofskonferenzen und Diözesen freigestellt wurde, ob sie ihn anwenden. De facto wird dies vor allem in Europa und Nordamerika getan, aber überhaupt nicht in Afrika, Asien und Ozeanien. In Bezug auf ihre lokalen Bedürfnisse haben diese Ortskirchen andere Modelle entwickelt, und betonen zum Beispiel mehr die Rolle der Katechisten.

Also könnte der Diakonat der Frauen eine Frage sein, die den einzelnen Ortskirchen überlassen wird?

Ich weiß es nicht, aber es wäre eine Möglichkeit. Ich möchte vor allem betonen, dass es aus globaler Perspektive bereits eine Vielfalt an Formen von Ämtern gibt, die existieren. Diese Vielfalt könnte die Synode mit einer weiteren Dezentralisierung noch betonen. Ich erinnere auch an die Überlegungen zu den Viri probati, die der Papst für den sehr spezifischen Kontext des Amazonasgebiets hätte genehmigen können. Die Frage, die sich heute in einigen Punkten stellt, lautet also: Was muss auf universeller Ebene entschieden werden? Was kann auf kontinentaler Ebene oder auf Ebene einer Bischofskonferenz entschieden werden?

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