Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung „Diplomatie der Hoffnung“

Für Frieden, gegen Fake News, Kommerz und Cancel Culture

Friedensappelle, aber auch scharfe Kulturkritik bestimmten die Ansprache des Papstes an die internationalen Staatenvertreter beim Heiligen Stuhl. 
Franziskus mit Porträt
Foto: IMAGO/ALESSIA GIULIANI (www.imago-images.de) | Vielleicht kein Revolutionär, aber doch ein Kritiker: Papst Franziskus bei der Generalaudienz am 8. Januar.

Konsumdenken drohe, die Werteordnung zu untergraben: Mit dezidierter Gegenwartskritik im Gepäck hat sich Papst Franziskus zu Beginn des Heiligen Jahres für eine „Diplomatie der Hoffnung“ ausgesprochen. Deren Programm erläuterte er in einem ausgedehnten, größtenteils durch einen Mitarbeiter des Staatssekretariats vorgelesenen Vortrag anlässlich der traditionellen Neujahrsaudienz für das diplomatische Korps, die beim Vatikan akkreditierten Diplomaten anderer Staaten. Angesichts der „immer realer werdenden Gefahr eines Weltkriegs“, so Franziskus, bestehe die Berufung der Diplomatie „gerade darin, den Dialog mit allen zu fördern“, auch mit jenen Gesprächspartnern, die als unbequem gelten oder denen man die Legitimation für Verhandlungen absprechen möchte.“ Dies sei „der einzige Weg, um die Ketten des Hasses und der Rache zu sprengen“.

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Franziskus ging dabei auch auf einzelne Konflikte ein. Er wünsche sich, dass „die ganze internationale Gemeinschaft“ darauf hinarbeite, „den Krieg zu beenden, der die gepeinigte Ukraine seit fast drei Jahren blutig quält“. Ebenso erneuerte er seinen „Appell für einen Waffenstillstand und die Freilassung der israelischen Geiseln im Gazastreifen“. Er fordere, so der Papst weiter, „dass die palästinensische Bevölkerung jede Hilfe erhält, die sie benötigt“. Grundsätzlich sprach sich Franziskus für die unbedingte Achtung des Völkerrechts aus, fügte aber kritisch hinzu: „Wenn wir das Grundlegende vergessen haben, die Fundamente unserer Existenz, der Heiligkeit des Lebens, der Prinzipien, die die Welt bewegen – wie können wir dann erwarten, dass dieses Recht wirksam ist?“

Abtreibung: „Echte ideologische Kolonisierung“

Abwägend äußerte sich der Papst auch zum Multilateralismus, der Zusammenarbeit der Nationen im Rahmen größerer Organisationen. Es brauche eine Rückkehr zum „Geist von Helsinki“ sagte der Papst in Anspielung auf die Gründungsakte der OSZE. Als ermutigend bezeichnete der Papst in diesem Zusammenhang die „positiven Anzeichen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, um wieder zur Basis des Atomabkommens mit dem Iran zurückzukehren, mit dem Ziel, eine für alle sicherere Welt zu gewährleisten“.

Als „besonders besorgniserregend“ kritisierte Franziskus hingegen den „Versuch, multilaterale Dokumente zu instrumentalisieren (…) um spalterische Ideologien zu fördern, die die Werte und den Glauben der Völker mit Füßen treten.“ Es handele dabei um „eine echte ideologische Kolonisierung, die mit am grünen Tisch erdachten Plänen versucht, die Traditionen, die Geschichte und die religiösen Bindungen der Völker auszulöschen.“ Und weiter: „Es handelt sich um eine Mentalität, die, indem sie behauptet, die ihrer Meinung nach ,dunklen Seiten der Geschichte’ überwunden zu haben, einer cancel culture Raum gibt; sie toleriert keine Unterschiede und konzentriert sich auf die Rechte des Individuums, wobei sie die Pflichten gegenüber anderen Verletzlichsten vernachlässigt“. Es sei etwa „unannehmbar, von einem sogenannten ,Recht auf Abtreibung’ zu sprechen, das den Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Leben, widerspricht.“

Haustiere statt Kinder, Fake News statt Wahrheit

Überhaupt unterzog der Papst trotz des außenpolitischen Fokus auch andere kulturelle und gesellschaftliche Trends einer ausführlichen Kritik: Noch nie habe die Menschheit „so viel Fortschritt, Entwicklung und Reichtum erlebt wie in dieser Zeit, und vielleicht noch nie hat sie sich so allein und verloren gefühlt wie heute, wobei sie nicht selten Haustiere Kindern vorzieht.“  Es bestehe also dringender Bedarf an einer frohen Botschaft. Nur sei das angeborene Wahrheitsstreben der Menschen heute korrumpiert: „In unserer Zeit scheint die Leugnung selbstverständlicher Wahrheiten die Oberhand zu gewinnen“, sagte Franziskus. Dazu trügen auch künstliche Intelligenz und moderne Kommunikationsmittel bei, die zur Manipulation des Bewusstseins verwendet werden könnten. Die Technik, explizit nannte Franziskus auch die sozialen Medien, trügen zur Polarisierung und zur „Verengung der geistigen Horizonte“ bei. Fake News, so der Papst wie in einer Art Kommentierung aktuellster Debatten, würden „ein Klima des Misstrauens schaffen, das den Hass schürt, die Sicherheit der Menschen untergräbt und das zivile Zusammenleben sowie die Stabilität ganzer Nationen gefährdet.“

Der „unaufhaltsame technische Fortschritt“ bestimme einen kulturellen Wandel, von dem „kaum ein Winkel der Welt“ unberührt bleibe. Immer deutlicher sei dabei eine Anpassung an kommerzielle Interessen zu erkennen, „die eine im Konsumdenken verwurzelte Kultur hervorbringt“. Diese Unausgewogenheit drohe, „die Werteordnung zu untergraben, die der Schaffung von Beziehungen, der Erziehung und der Weitergabe sozialer Sitten innewohnt“. Eltern, enge Verwandte und Erzieher müssten die „Hauptkanäle für die Weitergabe der Kultur bleiben“, die Regierungen sollten sich auf eine unterstützende Rolle bei deren erzieherischer Verantwortung beschränken.

Nachdem der Pontifex die internationale Gemeinschaft noch aufgefordert hatte, den „elenden“ Menschenhandel zu unterbinden, und sich für sichere und reguläre Migrationsrouten ausgesprochen hatte, warb er beim Thema Klima- und Umweltschutz schließlich für eine Verantwortlichkeit jedes Einzelnen. Alle seien Schuldner gegenüber Gott, den anderen, „und auch unserer geliebten Erde, von der wir uns täglich ernähren.“ Die Natur scheine „durch extreme Kraftbekundungen gegen das menschliche Handeln zu rebellieren“, den Naturkatastrophen könne man nicht gleichgültig gegenüberstehen. „Dazu haben wir kein Recht!“, sagte Franziskus wörtlich. Er wünsche sich, dass 2025 wirklich ein Jahr der Gnade werde, so der Papst abschließend. Dazu sei „jeder von uns berufen“, die Hoffnung in seiner Umgebung zum Blühen zu bringen. „Möge unsere Zeit den Frieden finden, nach dem sie sich so sehr sehnt.“ (DT/jra)

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