Der Dienstag beginnt mühsam. Die Unterkunft der Jugend 2000 liegt über 40 Kilometer außerhalb von Rom, eine einfache Sporthalle in Tivoli, in der nicht nur die deutschen Pilger untergebracht sind, sondern auch Jugendgruppen aus anderen Ländern, etwa aus Frankreich. Nur wenige Toiletten stehen für über 200 Jugendliche zur Verfügung, dazu kommt zunächst kein warmes Wasser, zeitweise braune Brühe aus den Duschen, verursacht durch einen defekten Wasserboiler. Nach dem gemeinsamen Morgenlob machen sich die Pilger zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof, ein Gewaltmarsch durch die Vorstadtlandschaft, der ungefähr eine Stunde dauert. Da der ursprünglich geplante Linienbus zu klein ist, bleibt keine Alternative: Ein Teil der Jugendlichen trägt ihr Tagesgepäck selbst zu Fuß Richtung Rom.
In der Innenstadt von Tivoli legen viele Gruppen einen kurzen Zwischenstopp bei einem Supermarkt ein, der am Programm „Amici del Pellegrino“ (dt.: „Freunde der Pilger“) teilnimmt. Bereits am Vorabend hatten die Jugendlichen ihren offiziellen Pilgerpass erhalten, ein Dokument, das nicht nur zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in Rom berechtigt, sondern auch Coupons enthält, die in teilnehmenden Supermärkten und Restaurants eingelöst werden können. Mit diesen Coupons decken sich viele nun mit Wasser, Obst und Proviant für den Tag ein. Anschließend geht es mit dem Regionalzug in das römische Stadtgebiet, genauer: in den Bahnhof Tiburtina, einen der 19 Munizipien der italienischen Hauptstadt. Von dort bringt die Metro die Pilger weiter, direkt in das Herz der Ewigen Stadt.
Zur ältesten Papstkirche Roms
Als die Gruppe am Vormittag an der Metrostation Colosseo ankommt, ist die Erschöpfung schnell verflogen. Spontan stimmen die Jugendlichen ein Lied an. Ihre Stimmen erfüllen die Station, so kraftvoll, dass Passanten stehen bleiben und mit ihren Handys filmen. Nicht weit entfernt ragt das Kolosseum in den Himmel, ein Ort, der nicht nur an das alte Rom erinnert, sondern auch an das Leid vieler christlicher Märtyrer, die dort in den ersten Jahrhunderten ihres Glaubens das Leben ließen. Begleitet von Liedern und Gebeten zieht die Gruppe entlang der Kaiserforen durch die Straßen Roms in Richtung Lateran.
Ziel der Pilger ist die Basilika San Giovanni in Laterano, die älteste Papstkirche Roms und offizieller Bischofssitz des Papstes. Bereits Kaiser Konstantin ließ sie im 4. Jahrhundert errichten – seither trägt sie den Ehrentitel „Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt Rom und des Erdkreises“. Über die Jahrhunderte mehrfach zerstört, umgebaut und erweitert, beeindruckt sie heute mit ihrer mächtigen barocken Fassade, den monumentalen Apostelstatuen im Hauptschiff und dem angeschlossenen Baptisterium. „Das achteckige Gebäude erinnert uns an die Taufe, durch die wir zur Kirche Christi gehören, nicht nur zur Kirche dieser Welt, sondern zur Kirche des Himmels“, so Pfarrer Thomas Barenth.
Wer die benachbarte „Scala Santa“ erklimmt, tut dies wie seit Jahrhunderten auf Knien. „Die Heilige Stiege ist mehr als nur eine fromme Überlieferung“, sagt Pfarrer Roland Kiechle. „Sie erinnert uns daran, dass wir mit unseren eigenen Lasten nicht allein sind. Jesus sagt: Nimm dein Kreuz auf dich, und geh mit mir.“ Stufe für Stufe steigen die Jugendlichen betend nach oben, still, erschöpft, und doch getragen.
Stilles Zeugnis der Nähe zwischen Rom und Jerusalem
Am Nachmittag feiert Weihbischof Florian Wörner mit der Gruppe die Heilige Messe in der Apsis der Lateranbasilika, direkt unter dem Lehrstuhl des Bischofs von Rom, der „Cathedra Petri“. Es ist ein besonderer Moment für viele: in einer der bedeutendsten Kirchen der Christenheit gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Danach führt der Weg weiter zur Kirche Santa Croce in Gerusalemme, einer der sieben klassischen Pilgerkirchen Roms. Die Basilika wurde im 4. Jahrhundert in einem Seitenflügel des kaiserlichen Palastes errichtet, um die Kreuzreliquien aufzubewahren, die Kaiserin Helena der Überlieferung nach vom Berg Golgotha mitgebracht hatte. Heute können Besucher dort unter anderem den „Titulus Crucis“, das originale Kreuztitelschild, besichtigen. Für die Jugendlichen ist der Ort ein stilles Zeugnis der Nähe zwischen Rom und Jerusalem, und ein würdiger Abschluss eines bewegenden Tages, bevor es mit Metro und Zug zurück nach Tivoli geht.
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