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Belgien: Eine beinahe unmögliche Mission

Eigentlich kann es Franziskus niemandem recht machen. Doch überall, wo er in Belgien auftaucht, kommen Menschenmassen zusammen. Und der Papst lässt die Reizthemen nicht aus.
Papst Franziskus bei der Papstmesse am Sonntag.
Foto: IMAGO/ERIC LALMAND (www.imago-images.de) | Kein reines Vergnügen: in Belgien weht dem Papst der Wind ins Gesicht.

Papst Franziskus hat sich auf eine Mission begeben, die eigentlich unmöglich zu gewinnen scheint. Würde man sich auf die belgischen Leitmedien verlassen, könnte man meinen, dass die katholische Kirche im Land mit dem Rücken zur Wand steht, kaum jemand am Papstbesuch interessiert ist und wenn, dann nur um über Missbrauch und die fehlende Akzeptanz gegenüber Frauen und Homosexuellen zu klagen. Um was es in der breiten Berichterstattung nie geht? Um das, was eigentlich von der Kirche ausgeht: Glaube, Liebe, Hoffnung, Gott. Beispiel „Het Laatste Nieuws“, mit einer Reichweite von 2,6 Millionen Lesern die größte belgische Tageszeitung. Nachdem es bei allen öffentlichen Terminen am Freitag um Missbrauchsfälle ging, und beim Brüsseler Geheimtreffen mit 17 Opfern solcher Taten sowieso, titelt das Blatt in seiner Samstagausgabe: „Zwei Sätze über Missbrauch, selbst er fand das zu wenig“. 

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Dabei haben sowohl Premierminister Alexander De Croo von den zur Bedeutungslosigkeit geschrumpften flämischen Liberalen sowie Franziskus selbst ausführlich vor der belgischen Öffentlichkeit über das Thema gesprochen. Der Papst sagte, dass die Kirche sich schämt und bat um Verzeihung. „Kein Applaus“ heißt es dazu in einer Zwischenüberschrift der flämischen Zeitung. Erst im Fließtext wird klar, dass die Rede des Papstes an Politik und Zivilgesellschaft begeistert beklatscht wurde, aber eine Person nicht mittun mochte. So kann man Stimmung verbreiten. Die falsche.

Denn überall, wo der Papst in Belgien auftaucht, kommen Menschenmassen zusammen. Viele junge Leute darunter. Und das trotz des sehr bescheidenen Wetters und überbordenden Sicherheitsmaßnahmen, die einem eher Angst machen als Sicherheit geben. Nie hat man mehr belgische Polizisten auf einem Fleck gesehen als in diesen Tagen. Plus zahllosen italienischen Sicherheitskräften obendrein.

Er lässt die Reizthemen nicht aus

Doch den Heiligen Vater lässt dies mindestens nach außen unbeeindruckt. Der 87-Jährige absolviert ein unglaublich dichtes Programm. Am Samstagmorgen traf er in der Nationalbasilika zum Heiligen Herzen auf dem Koekelberg auf katholische Amts- und Würdenträger, nachmittags auf die Studierenden der Katholischen Universität Löwen. Während es am Vortag in Flandern eher um Flüchtlingsthemen ging, erinnerte er in der Wallonie noch einmal an seine Umweltenzyklika „Laudato si“. Die Universität in Louvain-la-Neuve hat mit Françoise Smets eine weibliche Rektorin, also rückte er hier auch die Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft in den Mittelpunkt – wofür er freilich kein Wohlwollen erntete.

Gerade bei seinen Besuchen an den beiden Universitäten im flämischen Löwen und im wallonischen Louvain-la-Neuve hatte er es mit einer Studentengeneration zu tun, die sich vor allem auf Klima- und Genderfragen konzentriert. Der Papst selbst greift all dies auf und stellt die Kirche dabei an die Seite der Schwachen und Schutzbedürftigen, ganz wie Jesus es getan hätte. Überdies greift er noch das Migrationsthema auf, das allerdings in Belgien nicht annähernd so konfliktbeladen ist wie zum Beispiel in Deutschland, vermutlich da man im Land die Anwesenheit von Fremden gewohnt ist und gelernt hat, sich gegenüber Niederländern, Franzosen und Deutschen in Toleranz zu üben. Da kommt es auf alle anderen im Land lebenden 200 Nationen auch nicht mehr an.

Der Papst lässt sich nicht vereinnahmen

Im amerikanischen Fernsehen habe ich gestern Abend versucht zu erklären, warum es zwei Institutionen gibt, die den 600. Jahrestag der Katholischen Universität Löwen feiern. Weil es eben eine Zeit gab, in der man selbst auf engem Raum innerhalb der gemeinsamen Nation eine andere Sprache und Kultur als die eigene nicht tolerieren mochte. Das scheint inzwischen weitgehend überwunden, denn nun geht es um globale Konfliktfelder. Franziskus versteht es, die Kirche hier klar zu positionieren. Das gefällt nicht jedem, aber fast jeder hat dazu eine Meinung. Es ist eine unmögliche päpstliche Aufgabe, dabei das Richtige zu tun, von Unfehlbarkeit ganz zu schweigen. Aber der Papst lässt sich nicht vereinnahmen. Denn diejenigen, die ihn einen Modernisten schelten, müssen zur Kenntnis nehmen, dass er am Samstag zwischendurch am Grab von König Baudouin in der Kirche Notre-Dame im Brüsseler Stadtteil Laeken für dessen Seligsprechung gebetet hat. Warum? Unter anderem weil sich Baudouin im Jahr 1990 vehement gegen eine gelockerte Abtreibungsgesetzgebung zur Wehr gesetzt hat.

Eines der lustigsten Internet-Memes dieser Tage stammt übrigens vom Belgian Beer Board und zeigt den Pontifex in einem typisch belgischen Volkscafé inmitten von Biertrinkern, selber ein Pintje in der Hand. Geniale Werbung für das vorzügliche belgische Bier. Das viele Zehntausendmal verbreitete Foto entstammt künstlicher Intelligenz, aber dass man sich vorstellen kann, dass er es wirklich wäre, sagt viel über diesen Papst aus.

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