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Synodaler Weg ignoriert Zusammenhänge zwischen Missbrauch und Spiritualität

Der Synodale Weg hätte sich auf „juristisch-strukturelle Maßnahmen“ beschränken sollen, statt ihn mit einem theologischen Überbau zu „überfrachten“, so der Exeget Schwienhorst-Schönberger.
Synodale Weg hätte sich auf „juristisch-strukturelle Maßnahmen“ beschränken sollen
Foto: Maximilian von Lachner (Synodaler Weg / Maximilian von L)

Grundsätzliche Kritik am Umgang des Synodalen Wegs mit dem Thema „sexueller Missbrauch“ übt der Wiener Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger in der Beilage „Welt&Kirche“ der kommenden Ausgabe der „Tagespost“. Der Bibelwissenschaftler zufolge schienen den Verantwortlichen des Reformprojekts die „tieferen Zusammenhänge zwischen sexuellem Missbrauch und (christlicher) Spiritualität“ nicht bewusst zu sein.

Theologisch und spirituell in der Kritik

Wörtlich schreibt Schwienhorst-Schönberger: „Es gibt einen Zusammenhang zwischen sexuellem und geistigem Missbrauch auf der einen und dem weitgehenden Ausfall einer geistig-kontemplativen Praxis in Kirche und Theologie auf der anderen Seite.“ Sexueller und geistiger Missbrauch seien gewöhnlich traumatische Erfahrungen, „die schwere Wunden an Leib und Seele hinterlassen“. In der „Begegnung und Berührung mit dem göttlichen Heiland“ komme „das ganze Elend ans Licht und wird zugleich ein Weg der Heilung eröffnet“.

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Nach Ansicht Schwienhorst-Schönbergers wäre es besser gewesen, wenn sich der Synodale Weg auf „juristisch-strukturelle Maßnahmen“ beschränkt hätte, „die Missbrauch in der Kirche in Zukunft, soweit das menschenmöglich ist, verhindern, anstatt das notwendige Anliegen mit einem theologischen Überbau zu befrachten, der hinsichtlich seiner theologischen und spirituellen Konsistenz inzwischen einiges an Kritik von prominenten und kompetenten Beobachtern hat einstecken müssen“.

Zu wenig auf Kompetenz gesetzt

Zudem bemängelt Schwienhorst-Schönberger, dass der Synodale Weg zu wenig auf das Kriterium der Kompetenz setze. So gehe der Orientierungstext des Synodalen Wegs „völlig undifferenziert davon aus, dass alle getauften und gefirmten Gläubigen mit den Gaben des Heiligen Geistes reichlich beschenkt sind und folglich in Sachen des Glaubens gleichberechtigt mit allen anderen Gliedern der Kirche mitreden dürfen“. 

Für das Selbstverständnis und die Erfolgsgeschichte der Moderne sei jedoch das Kriterium der Kompetenz und nicht das der Zugehörigkeit entscheidend. „Soll das in geistigen und theologischen Dingen anders sein?“, fragt der Alttestamentler. An dieser Stelle bleibe der Synodale Weg entgegen seinem Selbstverständnis „weit hinter der Moderne zurück“. Denn „jetzt besteht die Gefahr, dass sich nicht das ,bessere Argument‘ durchsetzt, wie der Orientierungstext fordert, sondern jenes Argument, dass in einer von den Plausibilitäten einer medialen Öffentlichkeit inspirierten Mehrheit den besseren Eindruck hinterlässt“.  DT/mlu

Lesen Sie eine ausführliche Kritik des Wiener Alttestamentlers Ludger Schwienhorst-Schönberger am Orientierungstext des Synodalen Wegs in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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