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Seelsorger: Wir müssen Resilienz neu lernen

Angesichts zahlreicher Krisen ist Zuversicht immer wichtiger, meint der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir. Doch Resilienz muss man lernen - und Zuversicht aus überweltlichen Quellen schöpfen.
Frau im Park
Foto: IMAGO/FL (www.imago-images.de) | Ältere Menschen tun sich in Krisen oft leichter - weil sie über Lebenserfahrung und oft auch einen Glauben verfügen.

Pater Christoph Kreitmeir ist 1984 dem Orden der Franziskaner beigetreten. Er ist ausgebildeter Sozialpädagoge, Theologe und Logotherapeut. Seit 2017 wirkt der Priester als Klinikgeistlicher und Seelsorger am Klinikum Ingolstadt. In seinem im September 2024 erschienenen Buch „Zuversicht in schwerer Zeit – Wie ich sie finde und wie sie mich trägt“ schreibt der Autor mehrerer Bücher über Zuversicht als „die innere Kraftquelle, die weit über bloßen Optimismus hinausgeht“. Seine gute Botschaft angesichts zahlreicher Katastrophen: Zuversicht kann man durch tägliches Üben erlernen. Im Interview mit der „Tagespost“ äußert er sich zu ihrer Dringlichkeit – persönlich und gesellschaftlich.

Pater Kreitmeir, was hat Sie dazu gedrängt, ein Buch über „Zuversicht“ zu schreiben?

Entgegen den Negativentwicklungen, die einem viel Kraft und Energie rauben, ist die Zuversicht eine Kraft, die sich immer wieder erneuert und uns resistent und resilient macht. Die heutige Zeit wird bedrückender und angstmachender. Ich erlebe in der gesamten weltpolitischen Lage – wie wir alle – Zuspitzungen, die einem Sorge und Angst machen. Durch den Ukraine-Krieg ist vor allem unser ganzer wirtschaftlicher Background weggebrochen. Das sieht man besonders an der teuer gewordenen Energie. Im persönlichen Bereich arbeite ich in der Krankenhausseelsorge mit Menschen, die immer in eine Krise fallen, sprich Krankheit und Sterben. Dort merke ich, wie wichtig es ist, eine Kraft zu haben, die sich nicht im Alltag verschleißt, sondern aus anderen Quellen trinkt. Und diese Kraft nenne ich ,Zuversicht‘. 

„Die Kraft der Resilienz ist kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sie ist individuell verschieden und durch die persönliche Lebens- und Lerngeschichte beeinflusst. Sie ist aber auch irgendwie bestimmten Menschen mitgegeben.“ Ist es Gott, der diese Resilienz gibt? Woher kommt sie?

Grundgegeben ist sie von Gott. Sie liegt in der Natur des Menschen und soll und kann trainiert werden. Für den gläubigen Menschen kommt alles von Gott, für den nicht glaubenden Menschen alles aus der Natur. Die Resilienz ist eine Kraft, die in uns schlummert und geweckt werden will. Wie ein Muskel. Wenn man einen Muskel erschlaffen lässt, kann er nichts mehr ausrichten. Wenn wir ihn trainieren, sind wir fit, um uns fort zu bewegen. Die jüngeren Generationen, haben keine großen Krisen erlebt. Sie sind vergleichsweise verwöhnt, mit geringem Frustrationsgrad. „Ich will alles und zwar sofort, und ich habe ein Recht darauf“, ist mehr und mehr zur Einstellung geworden. Doch das ist Quatsch. Wir sind nicht mehr fähig, auf Krisen entsprechend geschmeidig zu antworten. Das müssen wir neu lernen. Die Resilienz ist genau diese innere Widerstandskraft, die man trainieren kann.

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Jesus ist DAS Beispiel für gelebtes Gottvertrauen Gott gegenüber, den er seinen Vater nannte. Wer Gott vertraut, ist davon überzeugt, dass hinter allem ein tieferer Sinn steht, schreiben Sie im Kapitel 2 über „Gottvertrauen“. Gleichzeitig weisen Sie darauf hin, dass immer mehr Menschen nach der Devise „Ich glaube an nichts und mir fehlt auch nichts“ leben. Wie macht sich das in der Seelsorge bemerkbar?

Ich erlebe die Schwierigkeit, dass es immer mehr Menschen ohne Glauben gibt. Ehrlich gesagt sind mir die 70- bis 90-jährigen Patienten deshalb am liebsten. Sie sind durch Krisen gegangen, haben Resilienz gelernt und noch einen Glauben eingeübt. Auf Gott vertrauen, in Gottesdienste gehen oder in der Bibel lesen: Um den Glauben als Kraftquelle anzunehmen, muss man ihn erstmal kennen. Wenn ich mit Menschen zu tun habe, die mich zu ihrer Oma rufen, die im Sterben liegt, und die aber nicht auf Gott vertrauen, entsteht nicht selten eine Sprachlosigkeit. Und dann kommt es darauf an, jemand zu sein, der nicht verurteilt, sondern jemand, der seinen Dienst als Seelsorger so lebt, dass sie sich fragen: Wo hat er seine Kraft her? Wieso ist er so positiv angesichts von Sterben, Tod und Trauer?

Wie oft werden Sie in der Klinik von Sterbenskranken nach der Sakramentenspendung gefragt? Inwiefern kommen Sie als Priester – indem Sie die Beichte hören oder die Krankensalbung spenden – zum Einsatz, und nicht nur als „Tröster“?

Wir sind ein Team von Seelsorgern, dass aus Laien und Priestern besteht. Neben der normalen Kunst der Gesprächsführung, der Zuwendung und der Gesprächsseelsorge hat der Priester den Auftrag, Sakramente zu spenden. Ich feiere die heilige Messe in der Krankenhauskapelle und bringe die Kommunion zu den Patienten. Auch führe ich immer wieder Nottaufen von sterbenden Babys durch. Die Krankensalbung ist das am häufigsten gefragte Sakrament. Sie ist ein großer Schatz, zu 70 Prozent der Fälle die letzte Ölung. Der Ritus selbst ist schon tröstend und heilend, er öffnet die Betroffenen und Angehörigen für Jesus und Gott. 

Haben Sie hoffnungsvolle Erlebnisse als Seelsorger gemacht?

Ja, sonst würde ich wohl depressiv werden. Gut 2.000 Menschen habe ich in meinem Dienst als Krankenhausseelsorger in den letzten siebeneinhalb Jahren beim Sterben begleitet. Von ganz kurz bis über Monate hinweg. Da erlebe ich fast nur Positives. Natürlich ist es bedrückend und schwer und ein riesiger Einschnitt in Familien, wenn jemand stirbt. Aber wenn da jemand kommt, der eine Zuversicht, eine friedliche Gelassenheit und innere Ruhe aufgrund seines Glaubens ausstrahlt, dann kommt Frieden in so eine Situation.

Wie könnte sich die seelsorgliche Situation an Kliniken verbessern?

Zunächst einmal sollte der Kontakt zwischen Klinikleitung und evangelischer und katholischer Kirche vertrauensvoll sein. Kirchen haben einen gesellschaftlichen Auftrag, ihre Mitglieder seelsorgerlich begleiten zu dürfen – das ist sogar rechtlich abgesichert. Die gesellschaftlichen und die strukturellen Voraussetzungen müssen wohlwollend und gut sein. Auch wenn die Kirche sich in einer Krise befindet: Sie hat erkannt, dass die Klinikseelsorge einer der wichtigsten Aufträge ist und personell wie auch finanziell gut ausgerüstet werden muss. Diese Form der Seelsorge ist direkt bei einer Person in einer Krisensituation. Da ist die Kirche vor Ort beim Menschen, der ihren Trost braucht.

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Elisabeth Hüffer Evangelische Kirche Krankensalbung Seelsorgerinnen und Seelsorger

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