In der spanischen Serie „Gran Hotel“ geht es – neben Liebschaften, Mord und Intrigen in luxuriöser Hotelatmosphäre – um den jungen Kellner Andrés. Er wurde von seiner Mutter, der Hauswirtschafterin des Hotels, großgezogen und kennt nichts anderes, als im Dienst der Gäste zu stehen. Für ihn war immer klar: Er wird als Kellner leben und sterben. Doch eines Tages findet er heraus, dass er der uneheliche Sohn des Hotelbesitzers ist und somit eigentlich gar kein einfacher Angestellter, sondern der Erstgeborene der Adelsfamilie, mit Anspruch auf ein großes Erbe. In diesem Moment erfasst ihn eine Wut darüber, so klein gehalten worden zu sein, und er beginnt, sich gegen die Befehle zu wehren und den despektierlichen Ton, mit dem man ihn behandelt, nicht länger zu akzeptieren. Er hat erkannt, wer sein Vater ist, und damit auch, wer er selbst ist.
Als Christen liegt der Ursprung unserer Identität genau darin: zu wissen, wer unser Vater ist, der uns eine unabdingbare Würde und einen Wert zugesprochen hat, den uns keiner nehmen kann. Wir sind unendlich geliebt! Gott hat sein volles Ja zu uns gesprochen, als er seinen Sohn Jesus Christus am Kreuz für uns hingegeben hat. Dadurch müssen wir nicht länger im Dunkeln leben, sondern dürfen uns als Kinder des Lichts verstehen, mit allem ausgestattet, was wir brauchen, um unsere Berufung in der Welt zu finden und zu leben.
Gott trägt wirklich durch alle Lebenslagen
Doch irgendwie tappen wir immer wieder in die Falle, dieses radikale Angenommensein, nach dem wir uns sehnen, in ganz anderen Dingen zu suchen. Vielleicht lechzen wir nach Bestätigung durch unsere Mitmenschen, deren Aufmerksamkeit uns wichtig fühlen lässt, oder wir versuchen, durch den Job oder Hobbys das Loch in unserem Herzen zu füllen. All das ist normal und muss nicht immer schlecht sein. Aber es erfüllt unser Herz letztlich nicht. Ein Sprichwort lautet: „Das Loch in unserem Herzen ist gottförmig.“ Gott ist ein Fundament für unser Leben, das wirklich trägt, durch alle Lebenslagen.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn hat mich schon immer fasziniert. Wie unendlich großzügig der Vater seine Arme ausbreitet, um seinen Sohn zu empfangen, nachdem dieser alles, was die Welt zu bieten hat, ausprobierte, um seine Sehnsüchte zu erfüllen. Stattdessen merkt er irgendwann: Ihm ging es bedeutend besser, als er noch bei seinem Vater lebte, und will als Knecht zu ihm zurückkehren. Hätte er es an menschlichem Maßstab gemessen nicht verdient, ganz unten anzufangen? Doch der Vater läuft ihm entgegen, richtet ihn auf und sagt ihm, dass er sein Sohn ist. Er bereitet ihm ein Festmahl und freut sich unbändig.
Wie können wir dieses liebende Herz jemals ganz begreifen? Wenn Gott wirklich so ist, dann dürfen wir aus der Wahrheit leben, zutiefst angenommen und geliebt zu sein. Leben wir so, dass man uns anmerkt, dass wir unseren Vater wirklich kennen. Ich glaube, es ist fundamental für das ganze Leben, sich immer wieder an Gottes Vaterliebe für uns zu erinnern. Sie heilt. Sie belebt. Sie schenkt uns Identität. Wenn wir das Geheimnis mehr und mehr verstehen und in unser Leben lassen, wird sich vieles in unserem Leben wie von selbst verändern. So wie bei Andrés im Gran Hotel, der plötzlich merkt: Ich bin zu mehr berufen als zu dem, was ich gerade lebe. Ich bin würdig, im Licht zu stehen. Ich darf ein großes Erbe antreten!
Die Autorin studiert Strategisches Management und Innovation an der Universität Innsbruck.
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