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Rom vs. Serwichhausen

Wie der heilige Kilian den genussvollen Verzehr eines Leberkäs-Brötchen rettete und was es sonst so mit dem Apostel der Franken auf sich hat. Und mit den Franken, einer Spezies der recht besonderen Art...
Hl. Kilian
Foto: Christian Weiß (Stadt Würzburg) | Der Heilige Kilian rettete Rudolf Gehrig den Genuss ein Leberkässemmel bei einem Besuch in der Heimat.

Es ist drei Monate her, seit ich Deutschland verlassen habe und mit meiner Frau nach Rom gezogen bin. Jetzt war es endlich soweit und wir kehrten für einen Kurzbesuch erstmals in die alte Heimat zurück. Wir waren gerade erst in München gelandet, als ich direkt auf einen Würstchenstand zusteuerte, den Mahnungen meiner Frau zum Trotz, dass wir doch nicht deswegen den Zug verpassen sollten. Mir war das in diesem Moment egal. Mit zittrigen Händen nahm ich das wohlig-warme Leberkäs-Brötchen entgegen, das mir der Metzger über die Theke reichte, und konnte es kaum erwarten, endlich reinzubeißen.

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Der Frankenapostel

Dann fiel mir ein, dass ja heute Freitag ist.

Fieberhaft überlegte ich, ob es eine Ausnahmeregelung gäbe, die mich vom Freitagsgebot dispensieren könnte. Aber dann rettete mich der heilige Kilian. An diesem Tag war der 8. Juli, der Gedenktag des berühmten Frankenapostels. War es nicht eine schöne Fügung, dass ich ausgerechnet heute erstmals in meine fränkische Heimat zurückkehrte? Wäre es nicht unhöflich, ausgerechnet an seinem Gedenktag zu fasten, obwohl ich indirekt auch ihm meinen Glauben verdanke?

Als ich schließlich im Zug saß und erst die bayerische, später dann endlich die fränkische Landschaft an mir vorbeizog, hatte ich meinen Leberkäs bereits mit großem Genuss verspeist. Der Anblick der fränkischen Wiesen und Hügel, der kleinen Dörfer, mit denen ich so viele Erinnerungen verband, lösten Freude und Wehmut aus. Der heilige Kilian hatte hier in diesen Landen einst meinen Vorfahren die Frohe Botschaft von Jesus Christus verkündet und es sich nicht nehmen lassen, dem Herzog von Würzburg die Leviten zu lesen, indem er ihn über die Heiligkeit des Ehesakramentes aufklärte.

Nicht gastfreundlich

Die Franken sind allerdings für viele Dinge bekannt: Sie lieben den Wein und das Bier, können allerlei zauberhafte Dinge aus Fleisch und Wurst produzieren, sie sind höflich, zurückhaltend, manchmal etwas verschämt und pflegen eine eigene Art des trockenen Humors. Doch eine Eigenschaft wird nicht unbedingt direkt gleich zu Beginn mit den Franken in Verbindung gebracht: die Gastfreundschaft.

Das musste auch der heilige Kilian am eigenen Leib erfahren. Eines Tages platzten die Häscher des Herzogs in die Kapelle des Heiligen und ermordeten ihn sowie seine Gefährten Kolonat und Totnan. Unter einem Pferdestall hat man die Märtyrer verscharrt, um auch die letzten Spuren dieses Glaubens zu tilgen. Die Gebeine von Kilian und seinen Gefährten werden heute noch im Würzburger Neumünster ausgestellt.

Serwichausen 

Ein kleiner Knochensplitter hat es sogar bis in mein Heimatdorf nach Serwichhausen geschafft. Die Kirche, in der ich getauft wurde und zur Erstkommunion ging, ist selbstverständlich ebenfalls dem heiligen Kilian geweiht. Zwei Tage nach meiner Rückkehr wurde dort am Sonntag das Patroziniumsfest gefeiert.

Es war für mich wie eine Reise in die Vergangenheit. „Dich loben dir danken“, erscholl es aus mehreren Kehlen, so wie schon zu meinen Kindertagen, „deine Kinder in Franken, Sankt Kilian!“

Nächste Woche werden wir wieder nach Rom zurückkehren müssen, in diese atemberaubende Stadt der Märtyrer und Päpste, in das Herz der Christenheit. Ich liebe Rom und würde nie auf die Idee kommen, beide Orte zu vergleichen. Es mag an meiner Sentimentalität liegen oder an einem weiteren Leberkäs-Brötchen, an dem ich gerade kaue, während ich diese Zeilen schreibe, doch ich möchte laut ausrufen: „Und du, Serwichhausen im Lande Unterfranken, bist keineswegs das unbedeutendste Kaff der Weltkirche!“

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