Der Glaube kommt aus dem Hören, lehrt uns der Apostel Paulus. Auch wenn Luther und andere Reformatoren diesen Satz dahingehend überbewertet haben, dass sie nur noch das Ohr als religiöses Organ gelten lassen wollten und allen übrigen sinnlichen Wahrnehmungen abschworen, so bleibt die Feststellung des Apostels doch richtig.
Bereits zu Beginn des Alten Testaments finden wir sie bestätigt: „Abram sagte: Siehe, du hast mir keine Nachkommen gegeben; so wird mich mein Haussklave beerben. Aber siehe, das Wort des HERRN erging an ihn: Nicht er wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein. Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst!
Hören und im Herzen bewegen
Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein. Und er glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an.“ (Gen. 15,3-6) Es ist das erste Mal in der Bibel, dass vom Glauben eines Menschen die Rede ist, und dieser Glaube entsteht als Reaktion auf das Hören des Wortes Gottes. Wie beim Stammvater Abraham verhält es sich auch bei Gottesmutter Maria. Auch sie hört die Botschaft des Engels und reagiert mit den Worten: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Später heißt es von ihr mehrfach, dass sie gehörte Worte in ihrem Herzen bewahrte, selbst jene, die sie zunächst nicht verstand.
Wir sehen also, wie fundamental das Hören der Botschaft für unseren Glauben ist, weshalb wir auch die Predigt als wesentlichen Bestandteil der heiligen Messe brauchen. Als Gegenargument hört man gerne, die Botschaft sei doch längst bekannt, man müsse sie sich ja nicht jede Woche aufs Neue anhören. Am leichtesten kann man solche Leute zum Schweigen bringen, indem man sie freundlich bittet, den Inhalt der letzten Predigt wiederzugeben. Denn genau darum geht es: Menschen sind vergesslich und müssen immer wieder an dieselben Dinge erinnert werden.
Erinnerung
Selbst das Volk Israel, das gerade erst von Gott aus der Sklaverei der Ägypter errettet worden war, muss von Mose höchstpersönlich vor der Vergesslichkeit gewarnt werden: „Und wenn du gegessen hast und satt geworden bist und prächtige Häuser gebaut hast und sie bewohnst, wenn deine Rinder, Schafe und Ziegen sich vermehren und Silber und Gold sich bei dir häuft und dein gesamter Besitz sich vermehrt, dann nimm dich in Acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den HERRN, deinen Gott, nicht vergisst, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat.“ (Deut. 8,12-14)
Das andere Gegenargument gegen die regelmäßige Notwendigkeit der Predigt, das insbesondere während der Zeit der Pandemie und der geschlossenen Kirchen zu hören war, lautet, man könne doch auch selbst in der Bibel oder im Katechismus lesen und brauche die Botschaft nicht in der Messe zu hören.
Verstehst Du?
Mal ganz davon abgesehen, wie viel von solchen Absichtserklärungen zu halten ist, gibt es noch einen viel wichtigeren Aspekt, der uns in der Erzählung von dem äthiopischen Kämmerer vor Augen geführt wird: „Er saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Und der Geist sagte zu Philippus: Geh und folge diesem Wagen! Philippus lief hin und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen. Da sagte er: Verstehst du auch, was du liest? Jener antwortete: Wie könnte ich es, wenn mich niemand anleitet?“ (Apg. 8,28-31) Die Anleitung zum richtigen Lesen beziehungsweise Hören der Botschaft erfolgt durch den Heiligen Geist, der die heilige katholische Kirche erhält und ihre Amtsträger leitet – auch und gerade bei der Predigt.
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