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Bischof Spitals Umgang mit Missbrauch war „mild", aber regelkonform

49 Täter und 194 Betroffene habe es in der Amtszeit des früheren Trierer Ortsbischofs gegeben, so der Zwischenbericht zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Trier.
Missbrauch im Bistum Trier
Foto: IMAGO/Stopper / Eibner-Pressefoto (www.imago-images.de) | Universität Trier legt zweiten Zwischenbericht zur historischen Untersuchung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier vor.

Einen milden, aber nach damaligen Regeln konformen Umgang mit Missbrauchstätern, weniger Fälle als in der Vergangenheit und nur einen Fall von Vertuschung: Das attestiert der am heutigen Mittwoch veröffentlichte zweite Zwischenbericht der Universität Trier zu sexuellem Missbrauch der Bistumsleitung in der Amtszeit des früheren Ortsbischofs Hermann Josef Spital (1981-2001) .

Wie aus der Pressemitteilung zu dem Zwischenbericht des Großprojekts hervorgeht, das insgesamt den Zeitraum von 1946 bis 2021 untersucht, wurde für die Amtszeit von Bischof Spital „ein Hellfeld von 49 Beschuldigten und Tätern sowie 194 Betroffenen identifiziert“. Das seien 27 Prozent aller ermittelten 711 betroffenen Minderjährigen und „knapp 21 Prozent der insgesamt im Untersuchungszeitraum 1946 bis 2021 ermittelten 234 Beschuldigten". Gesichtet wurden für die Untersuchung 1035 Akten des Bistums, aber auch „anderer Herkunft“. Zudem wurden 20 Gespräche mit Betroffenen und Zeitzeugen geführt.

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Insgesamt kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Missbrauchsfälle seit den frühen 1990er Jahren deutlich zurückgegangen seien. Die Zahl der Betroffenen ging pro Jahr erstmals „von durchschnittlich 8 (in den 1970er und 1980er Jahren) auf weniger als 4“ zurück. Betroffene seien mehr in den Blick genommen worden. Wie schon in anderen Missbrauchsberichten deutlich wurde, zeigt auch diese Untersuchung, dass es sich bei den Betroffenen überwiegend um männliche Opfer handelt (77,3 Prozent).

Über Tellerrand amtskirchlicher Schädigungen hinausgeschaut

Persönlich war Bischof Spital während seiner Amtszeit mit "mindestens 13 Fällen befasst“. Während der Bischof „erstmals über den Tellerrand amtskirchlicher Schädigungen beziehungsweise über die Fürsorgepflicht für seine Priester“ hinausgeschaut habe und „persönlich neue Wege pastoraler Verantwortung“ gegangen sei, indem er das Gespräch mit Eltern betroffener Minderjähriger gesucht und sich „um die Belange Betroffener" gekümmert habe, habe sein Weihbischof Leo Schwarz das Ausmaß und die Folgen sexuellen Missbrauchs unterschätzt. „Vor allem persönliche Verbindungen zu beschuldigten Priestern scheinen seine Urteilsfähigkeit getrübt zu haben“, schreiben die für die Studie zuständigen Mitarbeiter der Universität Trier.

Wie die Untersuchung ergab, wurden 148 Personen und damit 76 Prozent aller Betroffenen in Spitals Amtszeit von Mehrfach- und Intensivtätern missbraucht, teilweise über mehrere Jahre und unter psychischer Abhängigkeit. Die Studie unterscheidet zwischen 35 „Einmal- und Gelegenheitstätern“, die bis zu fünf Personen missbraucht haben, und 14 „Mehrfach- und Intensivtätern“, die mindestens zehn Fälle zu verantworten haben. 

Bistum und Justiz zeigten Milde

Zwar habe sich der Bischof beim Umgang mit Tätern an die damals geltenden Regeln gehalten, der milde Umgang und der Einsatz pastoraler Mittel sei jedoch von begrenztem Erfolg gewesen. Grundsätzlich sei die Bistumsleitung weit entfernt von den heute im Bistum geltenden Handlungsregeln gewesen. Positiv bescheinigt die Studie dem Bistum, dass es sich nicht automatisch an die sehr optimistischen psychologischen und psychiatrischen Gutachten gehalten habe. Jedoch hätten auch die vom Bistum auferlegten psychotherapeutischen Behandlungen nur mäßigen Erfolg gehabt. Auch die juristische Ahndung sei „von Milde geprägt“ gewesen: Es gab laut Mitteilung „nur drei Strafverfahren gegen Intensivtäter in den 1990er Jahren in Trier wie auch in Saarbrücken“ mit einer Verurteilung zu zwei Jahren auf Bewährung.

Erfolgreich scheine in 13 Fällen dagegen eine „Kombination aus strafrechtlicher Verurteilung, Psychotherapie und schrittweiser Rückführung in den Beruf“ gewesen zu sein. Sieben von 20 Priestern seien allerdings rückfällig geworden. Das gelte auch für straffällig gewordene Priester, die in andere Länder versetzt worden seien. „Gezielte Vertuschung im Sinne des Versuches, Täter aus dem eigenen Bistum zu entfernen, ohne am neuen Einsatzort über deren Vorgeschichte zu informieren“, wirft die Studie dem Bistum in nur einem Fall vor.

Mehr Aufmerksamkeit für Betroffene

Dagegen sei „die moralische Pflicht zu Anzeige und Information staatlicher Stellen vollständig vernachlässigt“ worden. Dies habe sich mit Bekanntwerden von Fällen schweren sexuellen Missbrauchs in anderen Ländern sowie einer „für die Schutzbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen“ sensibilisierten Öffentlichkeit langsam gewandelt. 

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sei die Aufmerksamkeit der Erwachsenen für die Gefahren und das Leid der Betroffenen gewachsen, heißt es. Zuvor seien Betroffenen von Eltern, Bekannten und Freunden zu wenig unterstützt worden; stattdessen hätten Gemeindemitglieder sich auf den beschuldigten Priester fokussiert und in Kritiker und Verteidiger gespalten.  DT/dsc

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