Segnungen homosexueller Paare, Tridentinische Messe, Islam in Europa, Missbrauchsskandale: Im Sommerinterview mit der französischen Wochenzeitung „Famille Chrétienne“ hat sich der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn zu den aktuellen Herausforderungen der Kirche in Europa geäußert. Bedingt durch den Geburtenrückgang in Europa, die Einwanderung und die zunehmende Präsenz des Islams werde die europäische Bevölkerung in zwanzig Jahren nicht mehr dieselbe sein wie heute, erklärte der Kardinal gegenüber Chefredakteur Antoine-Marie Izoard. „Wir müssen den Niedergang Europas akzeptieren“, so Schönborn wörtlich. Dies stelle auch Christen vor neue Anforderungen.
Auf das Verhältnis von Christentum und Islam angesprochen, wies der Wiener Erzbischof darauf hin, dass beide Religionen einen „Ruf zum Absoluten“ verspürten: „Für die Muslime hat Gott gefordert, dass die ganze Welt ihm und dem Koran unterworfen wird. Was Christus betrifft, so hat er uns eine universelle Mission anvertraut: ,Macht alle Völker zu meinen Jüngern‘.“ Keine von beiden Religionen könne daher auf ihre Mission verzichten, jedoch sei die Handlungsweise der Christen ist nicht die des Korans: „Es geht darum, Christus in allen Dimensionen unseres Lebens zu folgen. Wir greifen nicht zu den Waffen, sondern vertrauen auf das Werk der Gnade!“
Katholiken dürfen sich nicht wundern, wenn sie Minderheit sind
Dabei gebe es auch viele Muslime, die den Ruf der Nachfolge Christi spürten, so der Kardinal, der auch darauf hinwies, dass es in Wien heute mehr muslimische als christliche Grundschüler gebe. Die Verantwortung sieht Schönborn dabei klar aufseiten der Christen: „Wenn die Katholiken die Kirche verlassen haben, darf man sich nicht wundern, wenn sie in der Minderheit sind.“
Der Wiener Kardinal äußerte sich ebenfalls zur teilweisen Autorisierung der Segnung von Paaren in sogenannten irregulären Situationen durch die Erklärung „Fiducia supplicans“, die eine frühere Bekräftigung des Verbots der Segnung homosexueller Paare durch die Glaubenskongregation korrigierte. „Ich glaube, dass die Kirche mit den beiden aufeinanderfolgenden Dokumenten aus Rom ihre eigene Hilflosigkeit angesichts dieser Frage gezeigt hat. Diese Texte stehen in meinen Augen auf wackeligen Beinen. Wir stehen vor einer Frage, auf die es keine richtige Antwort geben kann!“, so Schönborn wörtlich. Der Weg, den Papst Franziskus aufzeige, sei der Weg der Unterscheidung, „indem wir versuchen zu sehen, was der Herr uns zeigt“. Es sei hingegen das „Unglück der deutschen Synode“, dass sie scharfe, eindeutige Antworten haben wolle. Jedoch „Eindeutigkeit funktioniert im konkreten Leben nicht“.
Einschränkung der Alten Messe „kein großer Sturm“
Wenig problematisch sieht Kardinal Schönborn die Einschränkung der Feier der heiligen Messe im Tridentinischen Ritus. „Akzeptieren wir, dass Franziskus seine Gründe hat, die Türen zumindest teilweise wieder zu schließen, so wie wir akzeptiert haben, dass Benedikt XVI. seine Gründe hatte, sie zu öffnen. Vertrauen wir darauf, dass der Herr die Kirche führt. Es ist kein großer Sturm!“ Gleichzeitig sei es für die „Veteranen der Nachkonzilszeit“ wichtig, die jungen Menschen wahrzunehmen, für die das Konzil in weiter Vergangenheit liege: „Unsere Generation muss mit großem Wohlwollen auf diese neue Generation blicken, die leicht zwischen der traditionellen (lateinischen) Messe und den Gebetsgruppen der Gemeinschaft Emmanuel wechselt“, so Schönborn. (DT/fha)
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