Der deutsche Theologe Thomas Söding, der als Experte an der Weltsynode teilnimmt, plädiert für eine dauerhafte europäische Kirchenversammlung. In einem Beitrag für die katholisch-theologische Zeitschrift „Communio“ vom Mittwoch schreibt der Bibelwissenschaftler, dass allen Beteiligten des kontinentalen Vorbereitungstreffens auf die Weltsynode in Linz Ende August klar geworden sei, dass die Katholische Kirche in Europa mehr Synodalität brauche.
Konkret seien „regelmäßige Treffen mit breiter Beteiligung“ nötig, nicht nur mit Bischöfen. „Andere Kontinente sind weit voraus“, argumentierte der Theologe, „Lateinamerika und die Karibik haben sich auf den Weg gemacht, von einer kontinentalen Bischofs- zu einer Kirchenversammlung zu werden, in der auch Priester, Ordensleute und Laien, nicht zuletzt Indigene, Sitz und Stimme haben.“ Europa — und Nordamerika — hinke in diesem Punkt hinterher, beklagte Söding, der als Vizepräsident des Synodalen Wegs wirkte. Dabei sei Europa „in der Vielfalt der Sprachen und Kulturen, der Erfahrungen und Geschichten … ein Ort des Dialoges und der Solidarität, aber auch der Konflikte über das, was die Wahrheit und Freiheit des Evangeliums ausmacht“. Zudem sei die Geschichte des europäischen Christentums sei „ein großes Reservoir für jene Hermeneutik der Reform, nach der weltweit gesucht wird“.
Laien sollen gestärkt werden
Es brauche nur noch eine Plattform, „auf der über die unterschiedlichen Erfahrungen und Antworten geredet und auf der die eigene Situation mit den Augen von anderen betrachtet werden könnte“, so Söding, und zwar im geschwisterlichen Austausch und im Geist des Evangeliums. Zu erörternde Fragen könnten sein: „Was ist ein übergriffiger Hegemonialanspruch des finanzstarken Westens, was ein Anstoß, Kirche heute in der Freiheit des Glaubens zu sein?“ Zu fragen wäre auch, welche Differenzen die Einheit stärken, welche sie schwächen würden, und wo In- oder auch Exkulturation angesagt sei.
Der Weg der bisherigen Weltsynode inklusive der interkontinenatlen Treffen habe gezeigt, „wie viel Vertrauen durch gemeinsame Gespräche, gemeinsames Gebet, gemeinsame Arbeit aufgebaut werden kann“, so der Theologe weiter. Gerade Kirchen, die sich gegen Populismus stemmen wollten, müssten in ihrem Inneren autoritäre Strukturen und autoritäres Denken abbauen. Laien, die die auf politischer, kultureller und sozialer Ebene Experten seien, gelte es zu stärken.
„Kirche ist weit davon entfernt, Avantgarde zu sein“
Dies sei gerade vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederbindung wichtig. Wörtlich schreibt Söding: „Ohne spürbare Reformen, die mehr Beteiligung, mehr Transparenz und Kontrolle, mehr Sichtbarkeit von Frauen, mehr Inklusion ermöglichen“, würden die Chancen weiter schwinden, „das Evangelium in der Sprache des barmherzigen Samariters zu verkünden – und fähig zu sein, in der Öffentlichkeit Rechenschaft vom Grund der Hoffnung abzulegen“.
Entscheidend dabei sei ein Mentalitätswandel: Der gute Wille allein genüge nicht. Es brauche vielmehr „verbindliche Versprechen…, an die sich alle halten“. Von ihrem Anspruch her müsse die Kirche Avantgarde sein, meinte Söding. Davon sei sie allerdings weit entfernt – „alle Debatten, was echter Fortschritt und was Irrweg ist, eingeschlossen“. Insofern brauche es durchaus auch Ungeduld. „Die Kirche hat eine Bringschuld in und gegenüber Europa. Sie muss die Einheit in der Vielfalt, von der sie so gerne spricht, in die Realität umsetzen, ohne Konflikte zu verschweigen“, so Söding. DT/dsc
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