Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Interview

Kardinal Woelki: „Priester leisten großartige Arbeit“

Kardinal Rainer Woelki hat sich während seines Solidaritätsbesuchs in der Ukraine von der Widerstandskraft der Katholiken überzeugt und die Sorgen der Gläubigen, von Russland beherrscht zu werden, angehört. 
Kardinal Woelki bei einer Trauerfeier für gefallene Soldaten
Foto: Erzbistum Lemberg | Seelsorge in Zeiten des Krieges: Kardinal Rainer Woelki nahm im Erzbistum Lemberg an einer Trauerfeier für gefallene ukrainische Soldaten teil.

Herr Kardinal, Sie haben sechs Tage die Ukraine besucht und mit den Gläubigen gesprochen. Seit Montag sind Sie wieder in Deutschland. Welche Station Ihrer Reise hat Sie am meisten beeindruckt?

Die Trauerfeier für drei gefallene Soldaten in Lemberg werde ich nicht mehr vergessen. Die Bilder haben sich tief in meine Seele eingeprägt. Die Menschen haben sich festgehalten und versucht, sich gegenseitig Halt zu geben. Dieses unvorstellbare Leid macht existenziell betroffen. Die Priester leisten in dieser schweren Zeit eine großartige Arbeit und sind nicht nur bei solchen Trauerfeiern ganz nahe bei den Menschen. Das konnte ich beim Besuch auf einem Militärfriedhof erleben, wo wir gemeinsam mit den Verwandten an den Gräbern der Gefallenen gedacht und gebetet haben. Dort sind innerhalb kürzester Zeit 1.000 Soldaten bestattet worden.

Konnten Sie auch mit Vertretern anderer Kirchen oder christlicher Gemeinschaften sprechen? 

Auf der Reise haben sich zahlreiche Gespräche mit Bischöfen, Priestern und Ordensleuten unterschiedlichster Gemeinschaften ergeben. Ein Statement hörte ich dabei praktisch unisono: Man möchte nicht von Russland in irgendeiner Weise beherrscht werden. Die griechisch-katholischen Bischöfe befürchten beispielsweise, dass ihre Priester und deren Familien erneut in Gulags müssen und ihre Kirche nach langen Jahren im Untergrund wieder in großer Gefahr ist.

Lesen Sie auch:

Welchen Eindruck haben Sie vom Zusammenhalt der katholischen Gläubigen? Bleiben die – teilweise verheirateten – Priester der Ostkirche bei ihren Gemeinden?

Es ist kaum möglich, in so einem riesigen Land während weniger Tage einen umfassenden Eindruck zu gewinnen. Meine persönlichen Erlebnisse stimmen mich jedenfalls optimistisch. Der Zusammenhalt hat sich durch die traumatischen Erlebnisse, die man gemeinsam erlebt hat und weiter erlebt, deutlich verstärkt. Die Not führt Menschen zusammen und schafft eine Atmosphäre von Solidarität und echtem Miteinander. Die Kirche, so wie ich sie erlebt habe, erweist sich in dieser schweren Zeit als zuverlässiger Anker.

Während der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar haben mehrere osteuropäische Staatschefs vor Putins gefürchtetem Expansionsdrang gewarnt. Wie begründet erscheint Ihnen diese Warnung?

Ich bin weder Politiker noch Militär. Deshalb kann ich mich im Letzten nicht wirklich qualifiziert dazu äußern. Ich möchte die Aufmerksamkeit lieber auf die große Not der Kriegsopfer und Flüchtlinge richten, die angesichts der vielen Militärfragen leider oft vergessen werden. Allein schon wenn sich der Krieg in der Ukraine weiter ausweiten sollte, müssen wir mit über 10 Millionen zusätzlichen Flüchtlingen in Europa rechnen.

Der ukrainische Vorstoß in Kursk deutet auf eine weitere Eskalation des Krieges hin. Wie stehen ukrainische Kirchenvertreter zu dieser Strategie?

Wir haben das Thema vor allem nachrichtlich diskutiert. Welche tatsächlichen und nachhaltigen Auswirkungen sich aus dem Vorstoß ergeben, wollte kaum einer schon jetzt bewerten.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Regina Einig Bischof Kardinäle Katholikinnen und Katholiken Rainer Maria Woelki Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

Der Apostolische Nuntius im Baltikum und langjährige Privatsekretär Papst Benedikts XVI., Erzbischof Georg Gänswein, sieht im Interview Papst Leos XIV. eine Ermutigung für die Gläubigen.
25.09.2025, 17 Uhr
Regina Einig
Das hätte so auch Tino Chrupalla sagen können: Die Altkanzlerin gibt Polen und den baltischen Staaten eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg. Ausgerechnet in Ungarn.
08.10.2025, 11 Uhr
Sebastian Sasse
Willst du Frieden, rüste zum Krieg, wusste schon die Antike. Solange es Wölfe gibt, genügt es nicht, ein friedfertiges Schaf zu sein.
03.10.2025, 07 Uhr
Stephan Baier

Kirche

Österreichs Medien erwarten die unmittelbar bevorstehende Ernennung des seit Januar amtierenden Apostolischen Administrators zum Nachfolger von Kardinal Christoph Schönborn.
15.10.2025, 19 Uhr
Meldung
Zu den ersten beiden Heiligen Venezuelas überhaupt gehört ab Sonntag der selige José Gregorio Hernández. Schon lange wird er landesweit verehrt.
15.10.2025, 16 Uhr
Meldung
Wie sollen glaubenstreue Priester ihrem Bischof künftig gehorchen, wenn der deutsche Sonderweg in puncto Segensfeiern von Rom nie gebilligt worden ist? 
15.10.2025, 19 Uhr
Regina Einig
Ohne Gott würde unser Leben zu einem ziellosen Umherirren werden, sagte Papst Leo XIV. heute Vormittag in der Katechese. Er ist die lebendige Quelle, die nie versiegt.
15.10.2025, 12 Uhr
Leo XIV.
Verkündigung allein durch Werke? Eine „Irrlehre“, sagt der Gebetshausgründer Johannes Hartl. Wie die verbale Verkündigung gelingt, verrät seine erste „Masterclass Glaubenskommunikation“.
15.10.2025, 09 Uhr
Jakob Ranke