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Kiew spaltet die Gläubigen

Das ukrainische Parlament beschließt ein Verbot der früher mit Moskau verbundenen Orthodoxie im Land. Ein Akt der Weisheit und Friedensliebe ist das nicht.
Ukrainisches Parlament
Foto: imago stock&people | Mit dem Verbot der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) vertieft das ukrainische Parlament das Misstrauen in der eigenen Bevölkerung und unter den gläubigen Orthodoxen.

Es steht nicht gut um die Ukraine. Die russische Armee stößt im Donbass immer weiter vor, während der Landgewinn ukrainischer Truppen in der russischen Region Kursk vielleicht als Faustpfand bei Verhandlungen dienen könnte, aber die Bereitschaft des Kremls zu eben solchen Gesprächen erst einmal auf Null gesenkt hat.

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Zudem lässt das am Wochenende von der Bundesregierung verkündete Moratorium für weitere Finanzhilfen für die Ukraine vermuten, dass im Westen der Wille schwächelt, das ukrainische Vorgehen im Kampf gegen den russischen Aggressor immer weiter zu unterstützen, wenn kein Ende der Eskalations-Spirale in Sicht ist. Putin klein zu kriegen oder Russland zu besiegen, ist keine realistische Option. Es muss eine Exit-Strategie her, um das Töten zu beenden, und die hat der Vorstoß der Ukraine auf russischem Boden Richtung Kursk nicht gebracht.

Der Vorwurf lautet Kollaboration

Der tragische Nahost-Konflikt sollte lehren, dass es Weitsicht, ja Weisheit und Klugheit braucht, um Spiralen des Hasses und der Gewalt langsam wieder zurückzudrehen. Von daher ist es bedauerlich, dass das ukrainische Parlament am Dienstag ein Gesetz zum Verbot der früher mit dem Moskauer Patriarchat verbundenen Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) angenommen hat. Grund: Die Kirchengemeinschaft unter dem Kiewer Metropoliten Onufrij soll anders, als sie beteuert, ihre Bindung an das Russisch-Orthodoxe Patriarchat nicht aufgelöst haben und ein Einflussinstrument Russlands sein.

Die UOK hatte sich im Mai 2022 vom Patriarchat Kyrills losgesagt und weist die Anschuldigungen zurück. Um die 10.000 Kirchengemeinden und die meisten Klöster des Landes – also Hunderttausende von orthodoxen Gläubigen, die nicht alle Verräter und Kollaborateure sind – gehören ihr derzeit an. Mehrere Kleriker wurden jedoch zuletzt wegen des Vorwurfs der Kollaboration verurteilt.

Eine Einschränkung der Religionsfreiheit

Damit vertieft das ukrainische Parlament den Zwist und das Misstrauen in der eigenen Bevölkerung und unter den gläubigen Orthodoxen, die früher von Moskau abhingen. Außerdem gießt es Wasser auf die Mühlen der Kreml-Propaganda, die Regierung Selenskyis sei russophob und Moskau müsse die russischstämmige Bevölkerung in der Ukraine schützen und befreien.

Es ist sicher das Recht des ukrainischen Staats, auch in den Reihen der UOK gegen Handlanger des Kremls vorzugehen. Aber eine ganze Kirchengemeinschaft mit dem Bann zu belege, grenzt an Aufhebung der Religionsfreiheit, belastet das Verhältnis zu den westlichen Verbündeten, gibt Putin Munition für die Rechtfertigung seines Angriffskriegs und vermehrt genau den Hass, den man eigentlich die Nahrung entziehen müsste, um in einem blutigen Konflikt zu deeskalieren und Wege der Befriedung zu beschreiten.

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