Nachdem die Missbrauchsstudie der evangelischen Kirche "spezifisch protestantische Risikofaktoren" benannt hat, soll es nun eine einheitliche Aufarbeitung sexualisierter Gewalt geben. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) gestern berichtete, haben sich Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), alle Landeskirchen und Diakonie am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung verpflichtet, sowohl das Verfahren für Anerkennungsleistungen als auch die Aufarbeitung grundsätzlich zu vereinheitlichen — unter Berücksichtigung aus der so genannten ForuM-Studie hervorgehenden typisch evangelischen Risikofaktoren für Missbrauch: Das idealisierte Selbstbild und unübersichtliche Strukturen.
Der neue Präsident der Diakonie in Deutschland, Rüdiger Schuch, bestätigte dies. In einem „Domradio“-Interview von Mittwoch wies er darauf hin, dass die Studie das Pfarrhaus als besonderen Tatort ausgemacht habe. Das Problem sei, dass im Pfarrhaus „die Trennung zwischen privat und dienstlich sehr viel schwieriger zu ziehen ist als in anderen Bereichen“, was „Möglichkeiten des Missbrauchs“ eröffne, nicht zuletzt durch die Machtposition, „die der Pfarrer hat“.
Kehrseite einer guten Kommunikation
Protestantische Pfarrer seien in besonderer Weise ausgebildet, „intrinsisch zu motivieren und zu überzeugen usw.“ All das könne eine Kehrseite haben, wenn es zum Instrumentarium werde Menschen zu belästigen und zu missbrauchen. „Da müssen wir als evangelische Kirche sehr kritisch hinschauen“, sagte er. Und das umso mehr als die Menschen das „Vertrauen in die Kirche nicht nur ein Stück weit, sondern fast komplett verloren“ hätten.
Die von unabhängigen Wissenschaftlern erstellte und Ende Januar vorgestellte Missbrauchsstudie ermittelte knapp 2200 Opfer. Die Zahlen seien aber nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“, beklagen die Forscher; es seien viel weniger Akten ausgewertet worden als vereinbart worden war. DT/dsc
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