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Kiew bestellt Papstbotschafter zu Gesprächen ein

Die Äußerungen des Papstes zum Ukraine-Krieg haben Konsequenzen auf diplomatischer Ebene. Kardinalstaatssekretär Parolin rudert zurück.
Regierungssitz in Kiew
Foto: imago-images | Das Kirchenoberhaupt hätte sich mit seinen Appellen an den Angreifer Russland richten sollen, kritisierte das ukrainische Außenministerium.

Nach den jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg ist der Papstbotschafter in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, von der ukrainischen Regierung am Montagabend zum Gespräch einbestellt worden. Wie die katholische Nachrichtenagentur (KNA) berichtet, sei der Vatikan-Diplomat darüber informiert worden, dass die Ukraine von den Worten des Papstes „enttäuscht“ sei.

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Anstatt sich an das Opfer zu wenden, hätte sich das Kirchenoberhaupt mit seinen Appellen an den Angreifer Russland richten und sich für einen „Sieg des Guten über das Böse“ einsetzen sollen, heißt es in der Erklärung des ukrainischen Außenministeriums. 

Indes ordnete der vatikanische Chefdiplomat, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, noch am späten Montagabend im Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ (online) die Worte des Papstes ein. Dass sich der Papst nur an die ukrainische Seite gewandt habe, sei dem Kontext der Fragestellung im Interview geschuldet gewesen.

Es sei zudem „offensichtlich“, dass Frieden nur durch beide Kriegsparteien geschaffen werden könne. Die erste Bedingung „scheint mir die Beendigung der Aggression zu sein“, sagte Parolin, ohne Russland direkt zu erwähnen. Der Vatikan befürchte, dass der Ukraine-Krieg sich ausweiten und noch mehr Tod und Zerstörung bringen könne. Es bestehe das Risiko einer atomaren Eskalation.  

Ukraine: Aufgeben bedeutet den Tod

In einem Interview hatte der Papst der Ukraine „Mut zur weißen Fahne“ und zu Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahegelegt. Viele verstanden dies als einen Aufruf zur Kapitulation, nicht zuletzt die Ukrainer selbst. Die Ständigen Synode der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine erklärte noch am Montagabend: „Die Ukrainer können nicht aufgeben, da aufzugeben den Tod bedeutet.“

Die Ukrainer wollten sich weiter verteidigen. Sie hätten „keine andere Wahl“. Die jüngere Geschichte habe gezeigt, dass man mit Putin keine richtigen Verhandlungen führen könne. Eine Kapitulation durch die Ukraine hätte Auswirkungen auf Europa und vielleicht die ganze Welt, warnten die Kirchen- und Religionsführer in einer Stellungnahme. Zu rechnen sei mit einer „weiteren Zerstörung von Städten und Dörfern – wahrscheinlich nicht nur der Ukraine“.

Nicht Fehler der Vergangenheit wiederholen

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba drängte auf der Plattform X in Anspielung auf Nazi-Deutschland darauf, „die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und die Ukraine und ihr Volk in ihrem gerechten Kampf um ihr Leben zu unterstützen“.

Die ukrainische Regierung hoffe weiter auf einen apostolischen Besuch des Papstes, „um über eine Million Katholiken, über fünf Millionen griechisch-katholische Christen, alle Christen und alle Ukrainer zu unterstützen“.

Kritik aus vielen Teilen der Welt

Auch aus anderen Teilen der Welt hagelte es Kritik. Der polnische Außenminister Radoslaw schlug vor, Putin anzuspornen, „den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen. Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären“.

Und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt stellte fest: „Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine.“

Papstbotschafter kritisiert Fragestellung des Interviews

Indessen kritisierte der Botschafter des Papstes in Kiew, Erzbischof Kulbokas, im Gespräch mit der italienischen Zeitung „La Repubblica" vom Montag, den Fragesteller des Papstinterviews, der das Bild von der „Weißen Flagge" gebraucht hatte.

Der Papst habe das Bild lediglich aufgegriffen und erklärt, dass „Verhandeln niemals eine Kapitulation ist", erklärte Kulbokas. Wäre er nach Russland befragt worden, wäre die Antwort gewesen: „Du sollst nicht töten und keine Soldaten, Raketen und Drohnen in die Ukraine schicken!" Zudem habe Franziskus eine Öffnung und Dialog unter den Völkern unterstreichen wollen, so Kulbokas.  DT/dsc

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