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Keine Chance für den Synodalen Weg

Warum die Weltsynode in Rom nicht daran denkt, die Beschlüsse des Sonderwegs der Kirche in Deutschland zu ihrer Agenda zu machen.
Papst Franziskus betet mit den Teilnehmern der Weltsynode.
Foto: Lola Gomez (CNS photo) | Papst Franziskus betet mit den Teilnehmern der Weltsynode. Franziskus mag den Synodalen Weg nicht - deshalb wird er die Weltsynode auch kaum beeinflussen.

Hat der Synodale Weg in Deutschland das Potenzial, den Verlauf der Weltsynode zur Synodalität zu beeinflussen? Das ist die Frage, die sich vor allem deutsche Beobachter der noch gut eine Woche andauernden Versammlung in der vatikanischen Nervi-Halle stellen: Sind die Beschlüsse, die der deutsche Weg, der mit der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in Lingen im Februar 2019 begonnen hatte und mit der abschließenden Synodalversammlung im vergangenen März endete, in irgendeiner Weise geeignet, den synodalen Weltprozess, zu dem Papst Franziskus die gesamte Kirche vom Oktober 2021 bis Oktober 2024 einberufen hat, inhaltlich zu prägen? Die Antwort ist ein klares Nein. Und das hat mehrere Gründe.

Der erste Grund betrifft nicht den Inhalt, sondern die Methode. Bei den Vollversammlungen des Synodalen Wegs in Deutschland lagen die in den vier Synodalforen vorbereiteten Texte auf dem Tisch: zum einen Forderungen, die von den Bischöfe sofort umgesetzt werden können (Segensfeiern für „Paare, die sich lieben“, Frauen, die in der Messe predigen), und zum anderen Empfehlungen an Papst und Weltkirche (Weihe von Diakoninnen, Lockerung des Zölibats und eine neue Sexualmoral). Einer „Aussprache“, die aus kurzen Statements der Teilnehmer bestand, folgten unmittelbar die Abstimmungen, die zuletzt vor allem ein Kampf darum waren, die Sperrminorität einer Minderheit von Bischöfe zu den umstrittenen Beschlussfassungen zu verhindern. Das Ergebnis dieser Arbeitsweise war ein gewaltiger Druck, der auf der Minderheit lastete und den gesamten Synodalen Weg zu einer quasi politischen Veranstaltung machte, die auch medial ihren entsprechenden Niederschlag fand.

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Keine Sieger, keine Unterlegenen

Die Methode der in Rom tagenden Bischofsversammlung ist eine vollkommen andere. Auf dem Tisch liegen keine in Foren vorbereitete Texte, sondern Fragen, in denen das Arbeitspapier der Synode, das „Instrumentum laboris“, die Auswertung der nationalen und der kontinentalen Phase des synodalen Weltprozesses verdichtet hat. In der ersten Woche der römischen Beratungen lautete sie: „Eine Gemeinschaft, die ausstrahlt: Wie können wir noch stärker zu einem Zeichen und Werkzeug der Vereinigung mit Gott und der ganzen Einheit der einen Menschheit werden?“, in der laufenden Versammlungswoche: „Gemeinsame Verantwortung in der Sendung: Wie können wir Fähigkeiten und Aufgaben im Dienst des Evangeliums besser miteinander teilen?“ Zu diesen Fragen gibt es in den „General-Congregationen“, also vor allen Teilnehmern in der Synodenaula, Impulsreferate, aber keine vorgefertigten Antworten.

Es folgt die Arbeit in den „Circoli minores“, den kleinen Sprachkreisen, die in der Nervi-Halle, die als Synodenaula dient, an den runden Tischen sitzen   allerdings nicht nach freier Wahl, sondern zusammengesetzt nach den Regieanweisungen des Synodensekretariats. Was an den runden Tischen geschieht, nennt das „Instrumentum laboris“ das „Gespräch im Geist“: In einer ersten Runde spricht jeder am runden Tisch über seine persönlichen Erfahrungen mit dem zu behandelnden Thema. Dann wird geschwiegen und gebetet. Es folgen eine zweite und dritte Runde von Wortmeldungen, in denen man dann auf die Argumente der Anderen am Tisch eingeht. Ein - ebenfalls vom Synodensekretariat bestimmtes - Mitglied der Sprachgruppe hat dann die Aufgabe, die Ergebnisse dieses Austauschs in einem Protokoll zusammenzufassen, das beim Redaktions-Team des Synodensekretariats eingereicht wird und in die Schluss-Synthese einfließt, die zum Abschluss dieser Synodalversammlung am Samstag, dem 28. Oktober, verabschiedet werden soll.

Ein Treffen ohne Polemik und Wortgefechte

Alle Teilnehmer der römischen Versammlung, die 70 „Nicht-Bischöfe“ eingeschlossen, loben bisher die spannungsfreie und freundschaftliche Atmosphäre in der zur Synodenaula umgebauten Audienzhalle. Es ist ein Treffen ohne Polemik und verbale Wortgefechte, wobei bisher vor allem die Frage nach Mehrheiten in Abstimmungsschlachten nicht die geringste Rolle spielt. Dieser erste Teil der Weltsynode zur Synodalität kennt keine Sieger und Unterlegene. Alle Positionen kommen in freier Rede zur Sprache - von denen, die sich entschiedene Änderungen in der pastoralen Praxis der Kirche wünschen - etwa im Umgang mit homosexuellen Personen , bis zu denen, die traditionsbewusst für ein Festhalten am Bestehenden eintreten. So könnten etwa Bischöfe Georg Bätzing oder sein Amtsbruder Franz-Josef Overbeck in ihren jeweiligen Sprachkreisen Forderungen des Synodalen Wegs vorgetragen haben. Man weiß es nicht, die Gespräche dort und die zusammenfassenden Protokolle sind nicht öffentlich. Aber es wären nur einzelne Wortmeldungen, die im polyphonen Chor der Weltsynode kaum noch nachzuweisen wären.

Der zweite Grund für den gegen Null gehenden Einfluss des Synodalen Wegs auf die römische Bischofssynode ist die geographische Verteilung der Teilnehmer. Die Mehrheit der Synodalen gehört nicht mehr einer europäischen Ortskirche an. Von den 365 stimmberechtigten Teilnehmern stammt ein Drittel aus Europa (gerade einmal sieben Personen aus Deutschland), ein Viertel aus Nord- und Südamerika, je etwa ein Fünftel aus Asien und Afrika und ein kleiner Teil von fünf Prozent aus Ozeanien. Asiaten und Afrikaner zusammen stellen schon eine größere Gruppe als die der Europäer dar, wobei sich die Vertreter der jungen afrikanischen und asiatischen Ortskirchen als Teil einer „missionarischen Kirche im Aufbruch“ verstehen, mit vielen Taufen und einer wachsenden Zahl von Gläubigen, während für sie Europa der Kontinent eines sterbenden oder zumindest dahinsiechenden Christentums ist, in den man Priester und Ordensleute schickt, um die Lücken zu füllen, die dort der Mangel an geistlichen Berufungen reißt. Unter der absoluten Mehrheit der Synodenteilnehmer besteht wenig Bereitschaft, sich von Funken entzünden zu lassen, die der Synodale Weg geschlagen hat. „Europa wird weniger, der Süden wird stärker“, kommentierte jetzt der Wiener Kardinal Christoph Schönborn die römische  Synode, wobei hinzuzufügen ist, dass auch der derzeitige Papst aus dem Süden der Erdkugel stammt und als Mann der Peripherie eher die jungen Kirchen im Blick hat als das alte Europa, das seine christlichen Wurzeln allmählich vergisst.

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Der dritte Grund dafür, dass auf der Bischofssynode in Rom der Synodale Weg der Deutschen nicht gerade der Renner ist, ist den gegebenen Verhältnissen in der römischen Kirchenleitung geschuldet. Die Zeiten sind schon längst vorbei, in denen ein Pole Papst war, der die deutsche Kirchenführung bestens kannte und seinem bayerischen Kardinal Joseph Ratzinger als Glaubenspräfekten das volle Vertrauen schenkte. Der Papst heißt heute Franziskus und sein Glaubenspräfekt ist der Landsmann und Neu-Kardinal Víctor Manuel Fernández, der dem amerikanischen Journalisten Edward Pentin in einem Mail-Interview vom 8. September klar gesagt hat, wie die Führung der Kirche derzeit funktioniert.

Am Ende entscheidet nur der Papst

Die römische Bischofssynode wird eine Unmenge an Einschätzungen und Anregungen produzieren, von denen manche auch Lehrfragen berühren. Aber die Gabe der Unterscheidung, die Frage, wie das Fazit aus all den synodalen Beratungen zu ziehen sei, liegt für den Glaubenspräfekten nur beim Papst. Das Glaubensgut, so Fernández in dem Interview, müssen „wir unbeschadet bewahren“. Aber es gebe „ein besonderes Charisma für diese Bewahrung, ein einzigartiges Charisma, das der Herr nur Petrus und seinen Nachfolgern gegeben hat“. Es sei eine lebendige und aktive Gabe, „die in der Person des Heiligen Vaters am Werk ist“, meinte der Glaubenspräfekt und fügte gleich an: „Ich habe dieses Charisma nicht, Sie nicht und auch Kardinal Burke nicht.“ Und: „Heute hat es nur Papst Franziskus.“ Bischöfe, die glaubten, die Lehre des Papstes beurteilen zu müssen, würden nur zu Häresie und Schisma führen: „Denken Sie daran, dass Häretiker immer glauben, die wahre Lehre der Kirche zu kennen. Leider verfallen heute nicht nur einige Progressive in diesen Irrtum, sondern paradoxerweise auch einige traditionalistische Gruppen.“ Was auch immer bei der Doppelsynode herauskommen magfür den Papst-Vertrauten Fernández steht jetzt schon fest: Nur der Papst kann aus all dem Gesagten die Konsequenzen ziehen. Und das haben die Deutschen schon erfahren müssen: Franziskus mag den Synodalen Weg nicht. Darum hat er in Rom keine Chance – auch nicht auf der laufenden Synode.

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