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Katholiken im besten Sendemodus

Nach den Terrorwarnungen steht der Kölner Dom Touristen wieder offen. Bilanz einer ungewöhnlichen Weihnachtszeit.
Polizisten stehen im Dom neben Karnevalisten.
Foto: Oliver Berg (dpa) | Polizisten stehen im Dom neben Karnevalisten. Nach der Terrorwarnung waren trotzdem viele Besucher im Dom - doch Vertreter der Landesregierung waren nicht darunter.

Unter der Last der Terrorwarnung für den Kölner Dom sind sich Kirche und Staat in Nordrhein-Westfalen unfreiwillig nähergekommen. Wie auf Knopfdruck verflüchtigte sich in Düsseldorf der gesellschaftliche Konsens darüber, dass Religion eigentlich Privatsache ist. Der nordrheinwestfälische Innenminister Reul rief die Bevölkerung zum Kirchgang auf: „Gehen Sie in die Kirche, feiern Sie das Weihnachtsfest. Angst ist die Währung von Terroristen. Wir dürfen sie nicht zusätzlich aufwerten.“ In dem gut gemeinten Appell stellte Reul die Terrorgefahr als geradezu unabwendbares Schicksal dar. Christliche Feiertagsrituale seien „natürlich“ auch ein Ziel von islamistischen Terroristen. Wäre es nicht Aufgabe der Landesregierung, sicherzustellen, dass friedliche Christen Gotteshäuser besuchen können, ohne sich den Kopf über Pläne von Terroristen zerbrechen zu müssen?

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Annähernd 100.000 Besucher kommen in der Weihnachtszeit in den Kölner Dom, dessen Bildprogramm eine Musterkatechese für das Geheimnis der Menschwerdung Jesu ist. Der Besuch des zentralen christlichen Wahrzeichens Deutschlands ist eine katechetische Chance ohnegleichen, um kunstinteressierten Touristen oder Besuchern, die aus konventionellen Gründen den Dom betreten, den Glauben an den Erlöser näherzubringen. Die eingeschränkte Besuchsfreiheit des Doms berührt auch die Religionsfreiheit und sollte sich auf keinen Fall wiederholen. Terrorgefahr ist keine Naturgewalt, Christen keine nützliche Verfügungsmasse. Politikern sind die Hände gegen die Einwanderung von Terroristen nicht gebunden, ganz im Gegenteil.

Von der Landesregierung keine Spur

Die Messbesucher, die nach langen Anfahrten geduldig strenge Kontrollen vor dem Dom auf sich nahmen, um die heilige Messe besuchen zu können, widerlegten eindrucksvoll Vorurteile über „Kirchens“. Auffallend war, dass in der zentralen Pilgermesse der Weihnachtszeit – dem Pontifikalamt am Vormittag des Hochfestes der Heiligen Drei Könige – nach Angaben der Pressestelle des Metropolitankapitels kein Mitglied der NRW-Landesregierung gesichtet wurde. Auch wenn der Kirchgang eines Politikers zweifellos dessen Privatsache ist, hätte ein Hauch Bürgernähe der NRW-Landesregierung gut zu Gesicht gestanden. Warum kein Gespräch mit den Gläubigen in den Reihen der Wartenden vor dem Dom als Zeichen politischer Erdung?

Innenminister Reul wäre das schöne Feedback, dass seine Worte in der Staatskanzlei ernst genommen werden, zu gönnen gewesen. Nach wie vor können Kontakte mit vernünftigen Bürgern politischer Dummheit vorbeugen. An Fehleinschätzungen in puncto Kirche hatte die Landesregierung in jüngster Zeit einiges zu bieten: Man denke nur an die Äußerung, die Nathanael Liminski (CDU), vor nicht allzu ferner Zeit beim Festakt zum 150-Jahr-Jubiläum der Alt-Katholiken zum Besten gab: Der Chef der Staatskanzlei wähnt die Kirchen nur noch im Selbstrechtfertigungsmodus, die als Vermittler von Werten und Stifter von Gemeinsinn wegbrächen.

Doch die Kirche ist im Sendemodus: Welche Institution könnte ihre Mitglieder quasi über Nacht zu einer vergleichbaren öffentlichen Demonstration von Gelassenheit und Verantwortungsbewusstsein mobilisieren wie die katholische Kirche in Köln? In den Gesprächen mit den Sicherheitsbeamten zeigte sich die Erleichterung darüber, mit den Dombesuchern das große Los gezogen zu haben. Unter allen Sonderschichten, die zum Jahreswechsel für die Kölner Polizei anfallen, gab es keine entspanntere als jene auf der Domplatte und im Dom. Fazit: Kirchgang? Jederzeit wieder; CDU in NRW wählen? Gewiss nicht.

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