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„Geheime Vatikanische Instruktion“ als Ursache für Wojtyłas Unterlassung

Johannes Paul II. war „nur eine Schraube in der riesigen Maschine der Kirche“, Heiligsprechung aber gerechtfertigt.
Polen und der Missbrauchsskandal
Foto: Katharina Ebel | Der Historiker Stempin meint: Johannes Paul II. sei "nur eine Schraube in der riesigen Maschine der Kirche" gewesen. Und die Kirche "hat ihn zu Recht heiliggesprochen“.

Für Erstaunen und eine Welle der Entrüstung hat in Polen die Verlautbarung aus dem Raum der Polnischen Bischofskonferenzen gesorgt, eine „weitere Archiv-Recherche“ in der Causa Wojtyła und der ihm vorgeworfenen Vertuschung von priesterlichen Fällen sexuellen Missbrauchs in Aussicht zu stellen. Immerhin ist das Thema Priesterlicher Missbrauch in Polen spätestens seit dem Dokumentarfilm „Sag‘ es niemandem“ (2019) jenseits der Oder ein Thema.

Dabei scheint der jetzige Krakauer Hirte, Erzbischof Marek Jędraszewski, eine Schlüsselrolle zu spielen. Karol Wojtyła war bis zu seiner Papstwahlen 1978 Metropolit von Krakau. In einer Predigt zum Wochenbeginn war jedoch vonseiten Jędraszewskis in Sachen Transparenz nichts zu vernehmen, stattdessen drosch der Erzbischof auf diejenigen ein, die im Rahmen einer „Operation zur Zerstörung der leuchtenden Erinnerung an ihn“ mit „Lügen und Unterstellungen“ arbeiten würden. Er forderte seine Zuhörer zum Kampf auf, schließlich gehe es um Polen.

PiS will den "guten Namen" des Papstes schützen

Mit ähnlich martialischer Rhetorik reagiert man auch bei der Regierungspartei PiS auf die Vorwürfe gegen Wojtyła. PiS möchte den „guten Namen“ des 2014 heiliggesprochenen Mannes aus dem Städtchen Wadowice per Parlamentsbeschluss schützen. Marek Lasota, ein Historiker, der lange für das Institut für Nationales Gedenken (IPN), das der PiS-Partei nahesteht, gearbeitet hat, äußerte sich kritisch zu dem aktuell erschienenen Buch „Maxima culpa“ des holländischen Journalisten Ekke Overbeek, das zusammen mit einer TVN-Reportage, die am Montag ausgestrahlt wurde, den Wirbel um die Person des 2005 verstorbenen Papstes aus Polen ausgelöst hat. Es basiere auf einer „vorgefassten Meinung“. 

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Zu einem ruhigeren und differenzierteren Urteil kommt der Historiker Professor Arkadiusz Stempin, der in einem ausführlichen Gastbeitrag für das Online-Medium „onet.pl“ den Fall historisch einordnete. Dort liest man: „Methodisch unterscheidet sich eine journalistische Untersuchung von einer wissenschaftlichen Analyse dadurch, dass sie durch die Aufdeckung eines zufälligen, ja dreifachen Ereignisses dem Phänomen ein gewisses Maß an Universalität verleiht. Bislang ist bekannt, dass Kardinal Wojtyła als Ordinarius von Krakau dreimal einen Pädophilen in einer Soutane gedeckt hat. Obwohl er damals in der Erzdiözese ein Heer von 1.500 Geistlichen unter sich hatte. Die Unrepräsentativität des Phänomens, wie sie durch journalistische Recherchen aufgedeckt wurde, wird jedoch durch eine ganz andere Quelle bestätigt, die die Vertuschung von Pädophilie in der Kirche weltweit zur verbindlichen Norm machte.“ 

Stempin: Wojtyła hatte keine Wahl

Diese Quelle, so Stempin weiter, sei „die geheime vatikanische Instruktion ,Crimen solicitationis‘. Sie band allen Diözesanverwaltern in der Welt die Hände und diktierte bis zur letzten Jahrhundertwende den Modus Operandi von oben. So wusste man bis in die 1990er Jahre hinein blind, dass der Ordinarius einer jeden Diözese auf dieselbe Weise handelte. Die Instruktion wurde 1922 eingeführt, zwei Jahre nach der Geburt von Karol Wojtyła“.

Stempins Fazit: „[Es] war … die Instruktion von 1922, die die Diskrepanz zwischen der Daseinsberechtigung der Kirche und der Schädigung des Kindes herstellte. Sie war es, die den Widerspruch zwischen der Subjektivität des Geschädigten und dem moralischen Gesetz erzeugte. Und Karol Wojtyła hatte, wie jeder Ordinarius, keine Wahl. Er war nur eine Schraube in der riesigen Maschine der Kirche. Er diente ihr. Und die Kirche hat ihn zu Recht heiliggesprochen.“

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